SPD demontiert ihren Chef

Peter Strieder will am 15. Juli als Parteichef wieder gewählt werden. Doch bei der Nominierung für den Parteivorsitz unterlag er schon zum zweiten Mal dem Außenseiterkandidaten Stefan Grönebaum

von DOROTHEE WINDEN

Die Berliner SPD ist auf dem besten Wege, ihren Landesvorsitzenden Peter Strieder vor dem Parteitag am 15. Juli zu demontieren. Strieder, der dort als Parteichef bestätigt werden möchte, musste am Wochenende eine erneute Niederlage hinnehmen.

Die Kreisdelegiertenversammlung Hohenschönhausen/Lichtenberg nominierte nicht Strieder, sondern den Außenseiterkandidaten Stefan Grönebaum (siehe Portrait). Er erhielt 25, Strieder nur 21 Stimmen – und das, obwohl sich die versammelte lokale Parteiführung für den Amtsinhaber ausgesprochen hatte. Was war passiert? Strieder hatte eine gute, locker vorgetragene Rede gehalten, dagegen fiel Grönebaum mit seinem akademischen Vortrag deutlich ab. Doch Grönebaum, ein Gegner der großen Koalition, profitierte von dem massiven Unmut über die Zwangsehe mit der CDU. Sein Plädoyer, die SPD wieder zur sozialen, arbeitnehmerorientierten Volkspartei zu machen, die den Sparkurs nicht als Selbstzweck versteht, sprach vielen aus dem Herzen. Bei den Delegierten überwog die Lust, dem Parteichef einen Denkzettel zu verpassen.

„Das war wieder eine Abstimmung über die große Koalition“, kommentierte Strieder die Abstimmungsniederlage. „Es gab ja nicht mal persönliche Kritik an mir.“ In der Tat ist der Frust über die Fortsetzung der großen Koalition an der Basis noch größer als nach der verlorenen Wahl 1995. Im Ostteil der Stadt kommt das Gefühl hinzu, der PDS nichts entgegensetzen zu können.

„Strieder muss ausbaden, was die SPD-Führung jahrelang versäumt hat“, sagte die Abgeordnete Karin Seidel-Kalmutzki aus Hohenschönhausen nach der überraschenden Abstimmung. Die Parteiführung habe sich nur selten vor Ort blicken lassen, und die oft versprochene Unterstützung sei unzureichend geblieben. Strieder hingegen sei im Wahlkampf zur Stelle gewesen.

Eine Nominierung ist eine günstige Gelegenheit, dem Parteichef folgenlos die gelbe Karte zu zeigen. Die zehn Delegierten aus Hohenschönhausen/Lichtenberg müssen sich beim Parteitag nicht an das Votum halten. Doch nun wächst der Druck auf Strieder. Denn es ist schon seine zweite Niederlage. In Mitte/Wedding/Tiergarten fiel Strieder ebenfalls durch, in Kreuzberg und Reinickendorf konnte er sich nur knapp behaupten. Die einzig glatte Nominierung erhielt er bislang in Steglitz/Zehlendorf, wo Kreischef Klaus Böger den Ton angibt. Dort konnte sich Grönebaum nicht einmal vorstellen.

Dessen Außenseiterkandidatur weckt zunehmend Erinnerungen an den Zweikampf um den Parteivorsitz, der sich im Sommer 1998 zwischen Parteichef Detlef Dzembritzki und dem Parteilinken Hans-Georg Lorenz abspielte. Der farblose Dzembritzki konnte beim Parteitag nur einen knappen Sieg erzielen und war forthin angeschlagen. Wenig später musste er Strieder weichen, der nach Walter Mompers Urwahl-Sieg den Parteivorsitz übernahm.

Gefährlicher als Grönebaum könnte Strieder jedoch Gewerkschafter Hermann Borghorst werden. Der Parteivize und wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion wird derzeit von Mitgliedern des rechten Britzer Kreises zur Kandidatur für den Parteivorsitz gedrängt. Bislang hat der loyale Borghorst solch ein Ansinnen stets von sich gewiesen. Er kandidiert wieder als Vizeparteichef, hat sich aber mit einem Thesenpapier in der vergangenen Woche von Peter Strieder abgesetzt. Ein Signal der Erneuerung wäre die Wahl des 52-Jährigen nicht. Er wäre vielmehr ein Übergangskandidat, der in den nächsten zwei Jahren die nötige Parteireform und Modernisierung voranbringen müsste.