Trauer hält sich in Grenzen

Israel reagiert abwartend auf die Erbfolge im Nachbarland Syrien. Auch die Palästinenser haben den Verstorbenen nicht gerade als großen Freund in Erinnerung

JERUSALEM taz ■ Kurzfristig Sorge, langfristig gemäßigte Hoffnung: so lässt sich die Reaktion der meisten Israelis auf die Erbfolge in Syrien zusammenfassen. Die Sorge gilt möglicher Instabiliät im Nachbarland und Auseinandersetzungen im Grenzgebiet, vor allem zwischen Israel und dem von Syrien entscheidend beeinflussten Libanon. Baschar al-Assad, der künftige Präsident, müsse zunächst seine Position festigen. Erst danach, so die Hoffnung, könne er möglicherweise die Position seines Landes neu bestimmen und einen Frieden mit Israel anstreben.

Hafis al-Assads Tod löste in Jerusalem nicht gerade Schwermut aus. „Wir haben Verständnis für die Trauer des syrischen Volkes“, heißt es distanziert in der offiziellen israelischen Regierungserklärung. In den fünf syrischen Dörfern auf den annektierten Golanhöhen allerdings fanden Trauerzüge für den verstorbenen Präsidenten statt.

Palästinenserpräsident Arafat ordnete einen dreitägigen Generalstreik anlässlich von al-Assads Tod an. Unter den Palästinensern wurde dessen Ableben ohne große Aufregung aufgenommen. „Wenn einer sagt, es täte ihm leid, dann lügt er“, erklärte ein Händler in Ostjerusalem.

In der jüngsten Vergangenheit waren Arafat und al-Assad in Konflikt über den Alleingang der Palästinenser in Oslo geraten. Syrien hatte ein nahöstliches Gesamtfriedenspaket angestrebt und sah sich infolge der palästinensischen Annäherung an Israel zunehmend isoliert. Erst vor kurzem schimpfte der syrische Verteidigungsminister Arafat einen „Sohn von sechzigtausend Huren“. Dies hindert diesen indes nicht daran, heute der Beisetzung al-Assads beizuwohnen.

In Israel galt der syrische Staatschef seit 30 Jahren als schlimmster Feind. Erst als im Sommer letzten Jahres Ehud Barak die Regierung übernahm, kamen aus Syrien zum ersten Mal ungewohnt versöhnliche Töne. Im vergangenen Dezember gelang es US-Präsident Bill Clinton, den syrischen Außenminister und Barak zu sich ins Weiße Haus zu bringen. Nachdem eine israelische Zeitung Auszüge aus dem geheimen Grundlagenpapier veröffentlicht hatte, das Arbeitsgruppen beider Seiten ausgearbeitet hatten, wurden die Verhandlungen aber ausgesetzt.

Im März startete Clinton den nächsten Versuch, al-Assad an den Verhandlungstisch zu bringen. Doch auch der Gipfel in Genf verlief erfolglos, trotz des bevorstehenden israelischen Truppenabzugs aus der so genannten Sicherheitszone. Seit Ende Mai ist der Südlibanon befreit. Damit verlor al-Assad sein wichtigstes Verhandlungspfand. Dennoch blieb es an der Grenze ruhig. Syrien sorgte dafür, nicht zuletzt, weil mit dem Abzug der internationale Druck wuchs.

Al-Assad starb in einer Situation vieler ungelöster Probleme. Weder hat er die Golanhöhen zurückbekommen, noch ist Syriens Macht im Libanon garantiert. Immer lauter wird dort der Ruf nach einem Abzug der Syrer. Beunruhigt wegen der unsicheren Situation, haben seit dem Wochenende bereits Tausende syrische Arbeitnehmer den Libanon verlassen. SUSANNE KNAUL