Der Jäger als Eintagsfliege

Soweit der Selbstmord, Waidmannsdank! Kings of Kunst-Comedy, Peter Land und Olav Westphalen stromern in der Galerie Klosterfelde und der Kunstbank durch die abgründige Welt der Avantgarde

von HARALD FRICKE

Der Witzfaktor in der Kunst hat während der letzten Jahre merklich abgenommen. Wer sich an Sigmar Polkes Bilderkalauer oder die gemalten Raucherbeine der Neuen Wilden erinnert, mag das bedauern. Doch beim Grübeln über Stadtplanung und soziale Themen ist offenbar Schluss mit lustig. Damit geht allerdings ein gewisser unmittelbarer Kontakt zum Publikum verloren, das doch durchaus in der Lage ist, Lachen und Denken zu verbinden.

Bei Peter Land kommen diese beiden Ansprüche wieder zusammen. Der 1966 geborene schwedische Videokünstler filmt sich in grotesken Situationen, die immer auch alltägliche Wirren der Existenz spiegeln. Zum Beispiel das Schicksal von Jägern, das sich in „The Lake“ als langsamer Weg in den Tod darstellt. Dafür hat Land in der Galerie Klosterfelde das Ambiente gleich mit entworfen: Ganz in grün ist der schlauchförmige Ausstellungsraum ausgemalt, so dass sich die Videoleinwand bruchlos ins restliche Interieur einfügt.

Zunächst sieht man nur einen Wald und hört Ludwig van Beethovens sechste Symphonie. Die „Pastorale“ schwebt über der Natur und selbst der von Land gespielte Jäger trabt mit erhabenen Schritten durchs Gestrüpp. Einmal hält er kurz inne, schultert sein Gewehr ab, nimmt einen Schluck aus dem mitgebrachten silbernen Flachmann und blickt erwartungsfroh in die Baumwipfel. Dann eilt er weiter und die Kamera schaut ihm hinterher.

Was wie eine Dokumentation aus der Wald- und Wiesenabteilung beginnt, endet im Desaster. Irgendwann steigt Land in ein Boot, rudert hinaus auf den See, wartet kurz und schießt dann zielstrebig seine Barke zu Bruch. Es dauert eine Weile bis zum Untergang, den der Jäger ungerührt erwartet. Danach schwimmt nur noch sein Filzhut allein auf dem See davon. Und Beethoven beschließt zu Libellen-Aufnahmen das Drama. Soweit der Selbstmord, Waidmannsdank!

Es ist die Langsamkeit der Bilder, die Sorgfalt, mit der Land Scheitern inszeniert, die „The Lake“ zu einer Stilübung in Sachen Slapstick macht. Land übernimmt die Bewegungskomik eines Buster Keaton oder Charlie Chaplin, um sie auf melancholische und schwerfällige Handlungen zu übertragen. Dadurch wird die pathetische Atmosphäre im Wald vollends paradox: Der Witz liegt nicht mehr in der clownesken Einlage, die mit der Situation bricht, die sie umgibt; stattdessen übersteigert Land den Einklang mit der Natur ins Absurde. Der Jäger wird zum Symbol für Werden und Vergehen, das sich plötzlich vom Leben einer Eintagsfliege kaum unterscheidet. Dieses Gleichnis aber schiebt die komikhaften Effekte an. Wie ein Rasenmähermotor.

Auch bei Olav Westphalen gehören Witze zur künstlerischen Inszenierung. Gerne tritt er als Stand-up-Komiker auf, nebenher arbeitet er als Cartoonist im Duo „Rattelschneck“ für Titanic. In der Ausstellung für die Kunstbank setzt sich der Senatsstipendiat mit den Reizsignalen des Berliner Kunstbetriebs auseinander: Können Künstler ohne das Wohlwollen von Klaus Biesenbach noch bestehen? Der Kunst-Werke-Direktor Biesenbach gilt für Westphalen als Ikone von Mitte. Entsprechend deutlich hat er ihn in Szene gesetzt: Schon von der Straße aus kann man sein Konterfei im Fenster der hellen Glasfassade sehen – als Fahndungsbild in schwarzer Tusche. Natürlich ist der Kalauer über Biesenbach sehr tief gehängt – selbst Zeitungen berichten regelmäßig über Verfehlungen des Kurators, der nicht Kunst vermittelt, sondern Künstlerkarrieren befördert. Aber gerade von dieser Penetranz leben Cartoons: das Offensichliche noch offensichtlicher zu machen.

Das andere halbe Dutzend der großformatigen Zeichnungen Westphalens stromert ähnlich durch die abgründige Welt der Kunst. Blut fließt aus einem angesägten Baumstumpf, der in der Sprache der Karikatur „schnarchende Langeweile“ bedeutet – satirische Selbsteinschätzung oder besorgte Bestandsaufnahme zur Avantgarde von heute? Westphalen geht es darum, dass in der Kunst ohnehin alle Erfahrungen gemacht worden sind. Wer sich trotzdem am Zwang zur Neuheit orientiert, kann nur ironisch operieren und „Themen so indirekt wie möglich angehen“. So Westphalen, der sich Kunst am liebsten als „kaum gemacht“ vorstellt. Insofern ist der Gag mit Biesenbach eine Andeutung vom Verlust der Avantgarde. Früher hätte man wohl nicht erst gesucht, sondern gleich geschossen.

Peter Land: bis 15. 7., Di-Sa 11-18 Uhr, Galerie Klosterfelde, Linienstr. 160 Olav Westphalen: bis 30. 6., Mo-Fr 14-18 Uhr, Kunstbank, Brunnenstr. 188