Braune Bildung in Steglitz

Wenn er nicht gerade gegen die Wehrmachtsausstellung protestiert, unterrichtet Karl-Heinz S. Geschichte und Politik an einem Steglitzer Gymnasium. Schüler wehren sich mit Flugblättern gegen „rassistische Witzchen“. Elternversammlung einberufen
von ANDREAS SPANNBAUER

Am Gymnasium Steglitz sorgt ein Flugblatt für Aufregung. Die anonymen Verfasser werfen dem Geschichts- und Politiklehrer Karl-Heinz S. vor, „rassistische Witzchen“ ebenso in den Unterricht einzubringen wie seine „Verachtung gegenüber Homosexuellen und Frauen“. Außerdem habe der Lehrer auf einem bedruckten Stoffbeutel Werbung für die Wochenzeitung Junge Freiheit betrieben. Die Publikation wird vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft.

Die unbekannten Autoren beschuldigen den Direktor der Berliner Forschungsstelle für Militärgeschichte weiter, „rechtsradikales Gedankengut pseudowissenschaftlich zu untermauern“. S. hatte vergangenes Jahr ein Buch mit dem Titel „Untersuchungen zur Ausstellung ‚Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1945‘ “ veröffentlicht.

In der Jungen Freiheit, die öfters über Vorträge von S. berichtet, wurde das Werk wohlwollend rezensiert: „Dank gebührt den Ausstellungskritikern auch dafür, dass sie mit ihrer mühsamen Arbeit nicht nur der Suche nach der Wahrheit gedient haben, sondern auch der Ehre unserer Väter.“

Weniger wissenschaftlich artikulierte S. seine Kritik, als die Ausstellung vergangenes Jahr in Hamburg zu sehen war. Mit Zwischenrufen provozierte er so sehr, dass die Ausstellungsleiterin Sigrun Angermann ein Hausverbot aussprechen musste.

Der Schüler Fabian T. erinnert sich, dass S. die Schüler im Unterricht stolz auf seine Hamburger Aktion aufmerksam gemacht habe. Auch habe der Lehrer eine koreanische Schülerin im Unterricht schon einmal als „Korea-Import“ tituliert.

„Der Geschichtlehrer geht im Unterricht bewusst an den rechten Rand und vertritt ein Rechtsaußen-Bild gegen Ausländer“, erzählt der Schüler Fabian T. Dabei sei er aber schwer zu fassen, weil er oft bewusst zweideutige Formulierungen wähle. Auch anderen Schülern des Gymnasiums Steglitz ist der Geschichtslehrer wegen seiner Einstellung ein Begriff. „S. ist krass rechts“, meint die Abiturientin Petra von Krbek. Ob jeder der im Flugblatt erhobenen Vorwürfe im Detail zutreffe, könne sie nicht beurteilen. „Aber die Tendenz ist richtig.“

Ihr Mitschüler Moritz K. fürchtet: „Die Gefahr ist, dass die unteren Klassen nicht einschätzen können, wie sie von S. beeinflusst werden.“ Ein anderer Schüler hält die Vorwürfe dagegen für überzogen. S. sei lediglich „rechts und ein bisschen frauenfeindlich“ eingestellt.

Auf der Elternversammlung, die sich in der vergangenen Woche mit dem Lehrer beschäftigte, sorgten die von S. vertretenen Auffassungen für Verärgerung. Doch Konsequenzen gibt es bisher keine.

   Schuldirektor Thomas Gey sagt, eine Indoktrination der Schüler mit verfassungsfeindlichen Gedanken sei nicht beweisbar. Auch dass S. Werbung für die Junge Freiheit gemacht habe, sei ihm nicht bekannt: „Sonst wäre ich eingeschritten.“

Der Schulleiter steht nach eigenem Bekunden den außerschulisch vertretenen Ansichten seiner Lehrkraft sehr kritisch gegenüber. „Ich will an der Schule Friedensgeschichte unterrichten, keine Kriegsgeschichte.“

Gey bedauert, dass die Affäre seine langjährigen Bemühungen konterkariert, der Schule einen toleranten und weltoffenen Ruf zu geben.

Viele jüdische Eltern vertrauen ihre Kinder dem Gymnasium Steglitz an. Im nächsten Schuljahr soll sogar ein Rabbi an der Schule unterrichten. Auch viele Jugendliche koreanischer und vietnamesischer Herkunft finden sich in der Schülerschaft. „Braune Bildung am Gymnasium Steglitz“, so die Überschrift des Flugblattes, finde jedenfalls nicht statt, versichert Schulleiter Gey.

Geschichtslehrer Karl-Heinz S. selbst wollte sich zu den Vorwürfen bislang nicht äußern. Er betrachtet die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen als Verleumdung.

Zitat:Der Schüler Fabian T. sagt:„Der Geschichtlehrer S. geht im Unterricht bewusst an den rechten Rand.Eine Koreanerin wurde als ‚Korea-Import‘ tituliert“