Man wird sich noch zu Tode sparen

betr.: „Relikte des kuscheligen Sozialstaates“, taz vom 9. 6. 00, „Ein Streik, der glücklich macht“, „Ein Streik, den keiner merken soll“, taz vom 10. / 11. 6. 00

Ich habe es satt, dass auch in der taz immer wieder von den „besitzstandswahrenden“ Zulagen des öffentlichen Dienstes gesprochen wird. Sind etwa die sinkenden Reallöhne bei der Bahn, Post, Müllabfuhr etc. in Ordnung – und dies in Zeiten, wo man bei Aktien mit viel Geld noch mehr Geld machen kann? Im Kreis Rotenburg wurde die Müllabfuhr gerade neu vergeben. Der, der den Zuschlag bekommen hat, zahlt seinen Leuten für eine maximal 48-Stundenwoche immerhin fast 3.000 Mark – brutto natürlich. Aber dies ist eben der Marktpreis – die Tarife der ÖTV dagegen wären nach Meinung von Frau Koufen besitzstandswahrend. [...] Eine angemessene Bezahlung zu erwarten, ist wohl zu viel angenommen. [...] JENS NIESTROJ, Rotenburg

Ist das die „neue Linie“ der taz unter einer „neuen Chefredakteurin“, dass man die berechtigten Forderungen der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst ins Lächerliche zieht und auf ein gewerkschaftsinternes Machtspiel reduziert? Es wäre ein Zeichen von journalistischer Seriosität, wenn man aufgezeigt hätte, dass zwei Drittel der Arbeiter und Angestellten mäßig bis schlecht verdienen. Gehen Sie mal in die Betriebe und Behörden und schauen Sie sich an, mit welchen Löhnen Polizisten, Justizmitarbeiter, Sekretärinnen und Krankenschwestern jeden Monat nach Hause gehen. Und dies unter der Perspektive eines wachsenden Rationalisierungsdrucks. Frei werdende Stellen werden nicht besetzt und Proteste mit dem Hinweis auf eine vermeintliche „Unkündbarkeit“ abgetan. Seit der Wahl von Rot-Grün ist alles schlimmer geworden. [...] JAN MOELLER, Traunstein

Es ist zwar in diesen Tagen nicht besonders populär, eine Lanze für den öffentlichen Dienst zu brechen, dennoch unterstütze ich die maßvollen Forderungen der Arbeitnehmer bei Bund, Ländern und Gemeinden. Viele Jahre hindurch haben die Staatsdiener bereits reale Lohn- und Gehaltseinbußen hinnehmen müssen; die Kollegen in den neuen Bundesländern sind noch immer – zehn Jahre nach der Vereinigung – von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt: Nun ist das Maß endgültig voll. Und Herr Schily kann sich seine Erpressungsversuche sparen, indem er mit neuen Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst droht. Diese Stellenstreichungen gab’s in der Vergangenheit auch ohne Tarifverhandlungen und Streik, und es wird sie auch künftig noch geben: Man wird sich noch zu Tode sparen, statt die Binnennachfrage in diesem Land durch steigende Einkommen weiter zu stärken! [...] THOMAS HENSCHKE, Berlin