Einigung in letzter Minute

Durchbruch beim Streit um Zwangsarbeiter-Entschädigung: USA sichern deutschen Unternehmen weitgehende Rechtssicherheit vor Klagen zu. Zahlungen könnten so noch dieses Jahr erfolgen

BERLIN taz ■ Nach eineinhalb Jahren ist der Durchbruch bei den Verhandlungen über die Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern gelungen. Der deutsche Regierungsbeauftragte Otto Graf Lambsdorff und sein US-Kollege Stuart Eizenstat einigten sich am Dienstagmorgen auf den Wortlaut eines so genannten statement of interest. Danach will die US-Regierung amerikanischen Gerichten die Abweisung von Klagen gegen deutsche Firmen empfehen, weil diese nicht im außenpolitischen Interesse der USA lägen. Für die deutschen Firmen konnte so weitgehende Rechtssicherheit erreicht werden. US-Präsident Clinton sagte: „Für die Opfer der Verbrechen der Nazizeit, die 50 Jahre auf die Gerechtigkeit gewartet haben, war dies ein wichtiger Tag.“

Über ein halbes Jahrhundert nach Kriegsende können damit die schätzungsweise eine Million noch lebenden ehemaligen Zwangsarbeiter mit einer Entschädigung rechnen. Die ersten Auszahlungen sollen nach den Worten Lambsdorffs noch in diesem Jahr erfolgen. Dafür muss jedoch der fraktionsübergreifende Gesetzentwurf zur Stiftung noch vor der Sommerpause vom Bundestag verabschiedet werden. Bis dahin müssen die von Bund und Wirtschaft im Dezember letzten Jahres zugesagten zehn Milliarden Mark vorliegen. Bisher hat die Stiftungsinitiative, zu der sich deutsche Firmen im Februar vergangenen Jahres zusammengeschlossen hatten, aber erst 3,1 Milliarden Mark eingesammelt. Nach dem gestrigen Kompromiss zum Rechtsfrieden kann die Stiftungsinitiative zahlungsunwillige Firmen nun nicht mehr mit der Drohung einer Klage zur Zahlung bewegen. Der rechtspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck, forderte die 16 Gründungsfirmen gestern auf, eine Bürgschaft in Höhe der ausstehenden Summe zu übernehmen, um das Gesetz nicht zu gefährden.

In einer ersten Reaktion betonte der tschechische Unterhändler Jiři Sitler, dass nicht nur die deutschen Unternehmen Rechtssicherheit bräuchten, sondern auch die Opfer.

Die Stiftung soll künftig die ausschließliche Anlaufstelle für Entschädigungsforderungen sein. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Antragsteller zunächst eine individuelle Verzichtserklärung abgeben müssen. US-Verhandlungsführer Stuart Eizenstat sagte, alle 55 noch ausstehenden Klagen sollten zu einer einzigen zusammengefasst werden, damit diese mit einem Urteil abgewiesen werden könne. NM

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