Deutschland verkauft mehr Waffen

Das Stockholmer Sipri-Institut stellt sein Jahrbuch zu Rüstungsexporten vor: Tendenz wieder steigend. Die Ursache: Seit Ende des Kalten Krieges gibt es kein neues Sicherheitssystem. Auch die Zahl der umfassenden bewaffneten Konflikte hat sich erhöht

aus Stockholm REINHARD WOLFF

Zwei Staaten waren im letzten Jahr besonders aktiv damit beschäftigt, ihre Waffenproduktion und ihren Rüstungsexport zu steigern: Russland und die Bundesrepublik Deutschland. Mit 2,7 Milliarden Mark, was einem Plus von knapp 15 Prozent entspricht, konnte Deutschland seinen vierten Platz auf der Liste der weltweit größten Rüstungsexporteure deutlich festigen und den bislang knappen Vorsprung vor Großbritannien ausbauen.

Erfolgreichere Händler des Todes sind derzeit nur in den USA, Russland und Frankreich zu finden. So verkauften trotz eines um ein Fünftel gesunkenen Exportresultats Waffenschmieden in den USA noch immer mehr Rüstungsmaterial als die aller anderen Länder zusammen. Frankreich dagegen hat seinen Rüstungsexport 1999 gar um mehr als die Hälfte vermindert. Hält diese Tendenz an, könnte die rot-grüne Bundesregierung schon im kommenden Jahr schaffen, was ihren schwarz-gelben VorgängerInnen nie gelungen war: den Vormarsch auf den Bronzeplatz unter den Waffenhändlern im Sipri-Jahrbuch.

Die Ausgabe 2000 dieser Publikation des renommierten schwedischen Friedens- und Konfliktforschungsinstituts, die gestern in Stockholm vorgestellt wurde, versucht sich an einer umfassenden Bilanz des Kriegs- und Rüstungsjahres 1999. Und die fällt pessimistisch aus. Zwar werde zur Jahrtausendwende insgesamt ein Drittel weniger für Waffen ausgegeben als noch 1990, doch die Tendenz ist zehn Jahre nach dem Fall der Mauer wieder ansteigend. Die Militäretats aller Staaten stiegen um 2,1 Prozent auf 1,6 Billionen Mark.

Was die Sipri-AnalytikerInnen besonders beunruhigt, ist die Tatsache, dass die USA, Russland und China ihre Militärausgaben deutlich erhöht haben. Sipri glaubt den Grund hierfür im Fehlen eines wirkungsvollen globalen Sicherheitssystems finden zu können: Der Kalte Krieg hatte zu einem zwar extrem kostspieligen, dafür aber im Resultat recht effektiven Sicherheitssystem geführt. Ein als ähnlich wirkungsvoll angesehenes System gebe es nun nicht mehr.

Eine andere Folge davon ist, dass nach Sipri die Zahl der als „umfassender bewaffneter Konflikt“ eingeordneten Kriege seit 1997 um 50 Prozent auf 29 gestiegen ist. Auch die internationalen und auf Konfliktlösung gerichteten Einsätze der Vereinten Nationen hätten 1999 ein Rekordniveau erreicht.

Unter dem Stichwort „potentieller Konfliktherde“ erhält auch Europa im Sipri-Jahrbuch ein eigenes Kapitel. Die Zukunft der transatlantischen Beziehungen ist es, die das Stockholmer Institut beunruhigt. Auf dem Weg zu einem eigenen europäischen Sicherheitssystem drängt Sipri, einen deutlich höheren Gang einzulegen: Eine schnelle Renationalisierung und Europäisierung der Sicherheitspolitik sei weniger problematisch für die regionale wie globale Sicherheit, als das Andauern einer lähmenden Übergangsphase.