Enge Weichen für den Kompromiss

Nun bastelt auch der Vermittlungsausschuss an der Steuerreform. Fest steht: Die Wirtschaft ist der Gewinner

BERLIN taz ■ Jetzt geht die Schacherei los. Wochenlang haben Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) und sein Kanzler Gerhard Schröder (SPD) nichts anderes getan, als deutlich zu machen, dass sie ihre Steuerreform noch vor der Sommerpause durch die Instanzen peitschen wollen. Auf inhaltliche Debatten über die Streitpunkte haben sie dabei ebenso verzichtet wie auf Andeutungen, wo sie Ansatzpunkte für Kompromisse mit der Union sehen. Das ist jetzt vorbei. Ab heute müssen sie sich im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat ernsthaft mit den Änderungsansinnen auseinandersetzen.

Steuersystematische Fragen wie der Wechsel vom Anrechnungs- auf das Halbeinkünfteverfahren (siehe taz vom 19. 5.) dürften dabei eine eher untergeordnete Rolle spielen. Auch wenn Steuerexperten aller Couleur, von dem Konservativen Peter Bareis bis hin zu dem alternativen Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel, in den letzten Tagen noch einmal auf die ungerechten Verteilungseffekte (benachteiligte Kleinaktionäre) und die nicht gesicherte Gegenfinanzierung hingewiesen haben. Selbst eine von Bareis für die nächsten Tage geplante große Kampagne dürfte erfolglos bleiben.

Stattdessen wird es vor allem um die Steuerfreistellung von Gewinnen aus dem Verkauf inländischer Kapitalbeteiligungen durch Kapitalgesellschaften und den Spitzensteuersatz bei der Einkommenssteuer gehen. Erstere ist eine von Eichels zentralen Maßnahmen, um die Wirtschaft ins Boot zu holen. Durch die Steuerbefreiung, so die Hoffnung, würden die Verflechtungen in der Unternehmenslandschaft aufbrechen und wieder transparenter gestaltet. Während Ökonomen geteilter Meinung sind und Finanzexperten einen Rechenfehler des Finanzministeriums bemerkten, der Ausfälle in mindestens zweistelliger Milliardenhöhe unterschlug, zeigt sich die Wirtschaft begeistert. So begeistert, dass für Eichel inzwischen jede Einschränkung schwierig sein dürfte. Erst letzte Woche hat die Deutsche Bank sich von Allianz-Anteilen getrennt – ausdrücklich im Vertrauen darauf, dass im kommenden Jahr die Steuerfreiheit bereits gilt.

Dass die Union sich bislang strikt weigert, dem Nulltarif zuzustimmen, und dabei auch Verbündete bei den Grünen und einigen SPD-regierten Ländern gefunden hat, hängt allerdings nicht mit den neuen Steuergeschenken für die Konzerne zusammen, sondern mit der Gefahr des Missbrauchs. So ist zu erwarten, dass sich beide Seiten einfach auf sicherere Formulierungen einigen. Ein moderater Steuersatz, der für die Konzerne immer noch attraktiv wäre, ist dagegen, glaubt man dem Flurfunk im Finanzministerium, inzwischen vom Tisch.

Beim Einkommenssteuertarif muss sich Eichel dagegen noch positionieren. Zumindest hier will die Union Punkte machen, auch wenn sie selbst nicht mehr an die geforderten 35 Prozent glaubt – Eichel bietet ab 2005 45 Prozent. Angeblich wird sie „bei 40 Prozent anfangen zu verhandeln“. Die Grünen und zunehmend auch SPDler würden ihr gerne mit einem flacheren Einkommenssteuertarif entgegenkommen. Der Vorschlag: Der Spitzensatz greift nicht ab 98.000 Mark, wie Eichel geplant hat, sondern erst ab einem Jahreseinkommen von 110.000 bis 120.000 Mark. Das würde genau den Bereich der neuen Mitte abdecken, die Eichel und Schröder bedienen möchten. Für die Gegenfinanzierung der mindestens 10 Milliarden Mark Mindereinnahmen, die dann zu erwarten wären, schlägt etwa NRW-Wirtschaftsminister Schwanhold die Streichung des unbeliebten Optionsmodells vor. Mit diesem sollten Personenunternehmen ursprünglich die Wahl haben, sich wie eine Kapitalgesellschaft – also mit 25 Prozent plus Gewerbesteuer – besteuern zu lassen. BEATE WILLMS