Der nächste Gipfel kommt bestimmt

Der Rentengipfel ist trotz Entgegenkommen der Regierung gescheitert. Eine Einigung wurde auf Wunsch der Union verschoben. Kanzler Schröder kündigt für Monatsende neue Konsensrunde an. Gewerkschaften planen Widerstandsaktionen

von SEVERIN WEILAND

Gerhard Schröder ist von Frauen umringt, darunter die grüne Fraktionschefin Kerstin Müller und die grüne Parteisprecherin Antje Radcke. Er macht Scherze und genießt die Aufmerksamkeit. In einer Ecke steht FDP-Chef Wolfgang Gerhardt und plaudert mit dem Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Die Fotografen sind begeistert. Derweil spekulieren die Reporter, was das merkwürdige rot-grün-gelbe Stelldichein in einem Zwischenraum des Kanzleramtes zu bedeuten hat. Bahnt sich da an diesem Dienstagabend eine neue Allianz in Sachen Rente an?

Keineswegs, versichert ein CDU-Mitarbeiter der wartenden Presse. Man habe nur eine Auszeit zur Beratung genommen. Nach eineinhalb Stunden habe nämlich Finanzminister Hans Eichel plötzlich eine Liste mit neuen Vorschlägen vorgelegt. Die Vertreter der Union fühlten sich „ein wenig“ überrumpelt.

Eichel hat die Union in eine schwierige Lage gebracht: Sein Vorschlag, die private Altersvorsorge ab 2001 mit 2,6 Milliarden Mark pro Jahr zu fördern und von 2008 an jährlich mit 19,5 Milliarden Mark, ist ein deutliches Entgegenkommen. Je länger die CDU-Chefin Angela Merkel und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber hinter verschlossenen Türen miteinander sprechen, umso klarer wird: Es wird nichts aus der Hoffnung Schröders, der Nation zur Tagesschau den Durchbruch in der Rentenreform zu verkünden.

Kurz vor acht Uhr, fast drei Stunden später als vorgesehen, drängt ein ernster Gerhard Schröder in den großen Pressesaal des ehemaligen Staatsratsgebäudes, gefolgt von Angela Merkel, Edmund Stoiber, Wolfgang Gerhardt und Antje Radcke. Schröder spricht von „intensiven und schwierigen Gesprächen“. Man werde, so der Kanzler, Ende des Monats noch einmal zu ei- ner informellen Runde zusammenkommen und die gegenseitigen Vorschläge abgleichen. Erst dann wollten die Union und die FDP entscheiden, ob sie die Rentenreform mittragen.

In der Runde hatten Schröder und Eichel der Union und der FDP (die PDS ist nicht dabei) einen Strauß an Angeboten vorgelegt: Für verheiratete Geringverdiener mit einem gemeinsamen zu versteuernden Einkommen von bis zu 70.000 Mark im Jahr (Alleinstehende 35.000 Mark pro Jahr) will der Staat pro Kind in die Rentenkasse dazuzahlen – bis zu 1.000 Mark bei zwei oder mehr Kindern. Paare mit einem Einkommen von über 70.000 bis 100.000 Mark pro Jahr, so der Eichel-Plan, sollten hingegen steuerlich gefördert werden. Wer dann aus dieser Gruppe der mittleren Verdiener ab 2001 zunächst 0,5 Prozent seines Bruttolohnes und ab 2008 4 Prozent in einen privaten Kapitalfonds einzahlt, soll dies steuerfrei tun dürfen. Es ist ein Kompromissangebot an die Union, die bislang die steuerliche Freistellung sämtlicher Beiträge zur privaten Altersvorsorge unabhängig vom Einkommen verlangt hatte.

Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel ist sichtlich bemüht, jede Schärfe aus der Kritik herauszunehmen. Die von der Union stärker geforderte Berücksichtigung von kinderreichen Familien in der Altersvorsorge sei in Eichels Vorschlägen „angedeutet“, meint sie. Dann aber wird sie grundsätzlich und lässt ahnen, dass in den kommenden Wochen noch eine Menge Hindernisse aus dem Weg zu räumen sind. Der neue Ausgleichsfaktor in der Rentenberechnung sei durch seine Verquickung von kapitalgedeckter, privater Eigenvorsorge mit dem bestehenden Umlageverfahren (jetzige Arbeitnehmer bezahlen durch ihre Beiträge die heutigen Rentner) „nicht sachgerecht“. Auch sei nicht hinnehmbar, dass ab 2020 die junge Generation stärker zur Kasse gebeten werden soll. Von diesem Zeitpunkt an, so sieht es der Plan aus dem Hause des Arbeitsministers Walter Riester vor, soll der Beitragssatz zur Rente von 20 (derzeit 19,3 Prozent) auf 22 Prozent bis zum Jahr 2030 steigen.

Auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber gesteht, dass die Vorschläge zur Steuerfreiheit der Beiträge für einen Kapitalstock ein „erheblicher Schritt“ seien. Dann aber wird Stoiber doch noch grundsätzlich: Die Absenkung des Rentenniveaus auf 63 Prozent ab dem Jahr 2030 sei nicht hinnehmbar. Da die Kommunen bei Minirenten über die Sozialhilfe einspringen müssten, würden diese zu stark belastet. Die von der Union und der FDP erzwungene Auszeit mag Schröder an diesem Abend in Berlin am Ende sogar zupass kommen. Auch in der eigenen Klientel sind die Rentenpläne höchst umstritten. Gewerkschaften und Sozialverbände kritisierten Riesters Pläne als „soziale Demontage“ und drohten mit Widerstand. Sie schlossen Großdemonstrationen im Herbst nicht aus. Das ist das Letzte, was Schröder sich wünschen kann.