Wer soll jetzt Jürgen Hunke stoppen?

■ Der Aufsichtsratsvorsitzende des HSV Udo Bandow kündigt seinen Rücktritt zum Herbst an

Der Hamburger SV steht erneut vor einem tiefen personellen Einschnitt. Der Bankier Udo Bandow wird mit großer Wahrscheinlichkeit nach vier überaus turbulenten, aber letztlich sehr erfolgreichen Aufbaujahren bei dem Fußball-Bundesligisten zum Jahresende als Vorsitzender des Aufsichtsrates ausscheiden. „Ich gehe davon aus, dass ich nicht wieder kandidieren werde“, kündigte der 68 Jahre alte Wirtschafts-Experte gut fünf Monate vor der nächsten Jahreshauptversammlung mit den turnusmäßigen Neuwahlen für das Kontroll-gremium an. Zu seinen Beweggründen für den geplanten Rückzug sagte Bandow: „Ich sehe meine Aufgabe eigentlich als erfüllt an. Die Versuchung für mich aufzuhören, ist riesengroß.“

Udo Bandows Abschied trifft den Champions-League-Anwärter hart. Nachdem sich im vergangenen Jahrzehnt vor allem Präsidenten und Vorstands-Vorsitzende reihenweise die Klinke in die Hand gaben, schien der Club gerade erst auf dem Weg zu einer lange fehlenden Kontinuität. Nun droht erneut Unruhe durch mögliche Machtkämpfe in der Nachfolgefrage. Auch das Ausscheiden anderer Kontrolleure im Zusammenhang mit der Demission des Vorsitzenden und damit die Notwendigkeit einer umfangreichen Neubildung gelten als wahrscheinlich, denn Bandows Ausstieg könnte Ex-Präsidenten und Reizfigur Jürgen Hunke motivieren, zum wiederholten Mal den Vorsitz im Volkspark anzustreben. Bereits als Kandidat gehandelt wird aber auch der ehemalige Umweltsenator Fritz Vahrenholt, ein alter SPD-Parteifreund des HSV-Vorstandsvorsitzenden Werner Hackmann, der erst seit einem halben Jahr im Aufsichtsrat mitwirkt.

Trainer Frank Pagelsdorf verliert mit Bandow einen gerade in den zurück liegenden schwierigen Zeiten wichtigen Verbündeten. „Es ist sicherlich schade. Er hat mir die Sicherheit gegeben, ich wusste, dass er zu jeder Zeit hinter mir stand“, meinte der Coach, der ohne den Oberkontrolleur wahrscheinlich längst bei einem anderen Verein beschäftigt wäre. Vorsitzender Hackmann sprach ebenfalls sein Bedauern aus und lobte die Pionierarbeit Bandows beim HSV.

Mit Bandow, dem Aufsichtsrats-Mitglied und langjährigen Vorstandssprecher der Vereins- und Westbank, wird der Club eine seiner kompetentesten und im Wirtschaftsleben der Hansestadt angesehensten Persönlichkeiten verlieren. Nur beim HSV selbst und in der öffentlichen Meinung hat er diese Wertschätzung häufig nicht erfahren. Seine persönliche Bilanz fällt deshalb sehr zwiespältig aus. Auf das in seiner Amtszeit Geschaffene ist er stolz. „In meinen 47 Berufsjahren habe ich es noch nie erlebt, dass ein Unternehmen in so kurzer Zeit so viel erreicht hat. Das waren die bisher erfolgreichsten Jahre der 113-jährigen Vereinsgeschichte“, betonte Bandow.

Er bezog das auf die in Windeseile radikal für insgesamt rund 200 Millionen Mark modernisierte Infrastruktur mit Neubau von Stadion, Trainingszentrum und Jugend-Internat. Der Aufsichtsratschef verwies auf den Zuschauerrekord in der abgelaufenen Saison. Auch sportlich seien die Weichen gestellt, an die Zebec/Happel-Ära in den 70er und 80er Jahren mit drei deutschen Meisterschaften, Europacup und DFB-Pokal-Sieg anknüpfen zu können. „Wir haben alles, das man braucht, um am modernen Fußball teilhaben zu können“, unterstreicht der Banker die Ambitionen des Vereins.

In einem merkwürdigen Kontrast dazu stehen deshalb bittere Erfahrungen durch die mehrfach heftigen Grabenkämpfe in den Führungsgremien, die häufig in der Öffentlichkeit ausgetragen wurden. Bandow: „Ich habe mir intern und extern auch noch nie so viel gefallen lassen müssen und bin noch nie so beschimpft worden, wie in diesen dreieinhalb Jahren.“ Sein sachlicher, ruhiger und demokratischer Führungsstil wurde ihm oft als Schwäche ausgelegt.

Die ermüdenden Streitigkeiten seien es aber nicht, die ihn nun zur Aufgabe motivierten, versicherte Bandow. Er sieht seine Mission als erfüllt an. Wenn auch ein selbst gestecktes und noch nicht realisiertes Ziel ihn zumindest noch ein wenig zögern lässt: Der alte Börsianer würde dem HSV irgendwie gerne auch noch den Weg zur Aktiengesellschaft weisen. Bernd Müller