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: Großstädtische Festkultur am Beispiel Ostern, Love Parade und Berlin Mitte

Wo Event ist, soll Gewohnheit werden

Bereits vor einigen Wochen wurde an dieser Stelle stichhaltig erläutert, dass der Sommer die Zeit der Gewohnheiten ist, weil es für Trends aufgrund der Temperaturen zu anstrengend ist. Wenden wir uns deshalb einem anderen interessanten Phänomen zu, dem Event.

Wie den Trend umweht auch das Event der Hauch der Besonderheit. Doch im Gegensatz zum Trend kann das Event zu einer Gewohnheit werden, ohne seine spezifische Eigenart zu verlieren. Nehmen wir zum Beispiel Ostern, die Love Parade oder den Karneval der Kulturen. Manche dieser Feste werden seit Jahren gefeiert und sind zur lieb gewonnenen Gewohnheit geworden, ihren Event-Charakter jedoch haben sie sich bewahrt. In diesem Zusammenhang ist es allerdings wichtig, gerade neue Events auf ihr Potenzial zum Serien-Event zu untersuchen. Was sind die Besonderheiten, was sind die Merkmale? Woran hätte man schon vor Jahren erkennen können, dass die Love Parade oder der Karneval der Kulturen Events ohne Verfallsdatum sind?

Halten wir uns zur Analyse an die Mitte Parade, jene Demonstration der beliebten Boygroup Berlin Mitte Boys, die erstmals vergangene Woche in der Nacht vom Donnerstag zum Freitag durch die Auguststraße zog. Das Event verfolgte dabei gleich mehrere Ziele. Zum einen ging es darum, den geladenen Medienvertretern die unschätzbaren Vorzüge des Szene-Bezirks nahe zu bringen, zum anderen sollte die ausgeklügelte Marketingaktion die aktuelle Hit-Single der Berlin Mitte Boys bewerben. Um den Spektakel-Charakter des Events zu unterstreichen, wurde die Mitte Parade zunächst mit einer ausgedehnten Stadtrundfahrt durch Berlins Mitte vorbereitet, vorbei an den Schauplätzen der Nacht, den Clubs, den Bars, den angesagtesten Treffs.

Die Parade selbst wurde dann durch schöne Specials am Wegesrand akzentuiert. Ein spannender Pornodreh war zu sehen, sowie drei Damen, die sich beim Ringkampf in einem Brei aus Mehl, Ketchup und Kakao fröhlich und ausgelassen suhlten. Freundliche Hostessen reichten den Gästen wohlschmeckende Getränke. Das Event erwies sich als bis ins Detail perfekt, begeistert flanierten die zahlreichen Medienvertreter die Auguststraße entlang.

Doch ein Wermutstropfen trübte den Eindruck; die Mitte Parade wird sich leider nicht durchsetzen. Gerade ihre Qualität erweist sich als ihre Schwachstelle. Denn serientaugliche Events, das lehren Love Parade, Karneval der Kulturen oder auch Ostern, dürfen keinen Sinn machen, dürfen selbst in ihrer Bedeutungslosigkeit keine Bedeutung zulassen, müssen mithin also eins zu eins belanglos sein, um Zukunft zu haben. Sollten diese Veranstaltungen jemals einen nennenswerten Inhalt gehabt haben, so muss dieser derart gering gewesen sein, dass sich heute niemand mehr daran erinnern kann. Bei der Love Parade zeigen Raver, dass sie Raver sind, beim Karneval der Kulturen rühmen sich Norddeutsche ihrer norddeutschen Herkunft; benehmen sich Brasilianer brasilianisch, mitunter auch Schwaben, Hessen und Norddeutsche; werben schwäbische, hessische und norddeutsche Gewerkschaftler Flaggen schwingend für irgendeine Streikkultur, die universelle möglicherweise – das ist zugegebenermaßen sehr, sehr blöd und ungebrochen tautologisch.

Die Mitte Parade hingegen war mehrfach tautologisch, weil die Berlin Mitte Boys dem inhaltsfreien Hype um Berlin Mitte durch den inhaltsfreien Hype um sich selbst die Krone aufsetzten. Manchmal ist das Leben komplexer, als man denkt. Man muss nur genau hinschauen, man kann überall etwas lernen. HARALD PETERS