berliner szenen
: Trommeln in der Nacht

Blankifiziert

Sie sind stolz, sie sind lässig, sie sind beseelt, glücklich, selbstbewusst. Sie ärgern mich. Sie sind: Die Trommler von Berlin. Sie sollen aufhören zu trommeln! Und zwar jetzt!

Sie nennen es Musik, sie nennen es Frohsinnsdemonstration, Freiheitsbekenntnis, rhythmische Beschwingungsmelodie – eine Tanzaufforderung an uns alle. Aber wir wollen nicht tanzen. Wir wollen zum Beispiel lesen. Oder denken. Oder schlafen. Oder schreiben. Aber nein. Dafür hat man in Trommlerkreisen kein Verständnis. Sie wollen trommeln und tun auch noch so, als täten sie damit uns, den Anwohnern von Görlitzer, Mauer- und sonstigen Parks einen Gefallen. Das ist jedoch nicht der Fall. Uns stört’s.

Das Dumme ist: Bei mir besteht der leise Verdacht, dass wir an dem Trommlerdilemma selber schuld sind. Denn der gemeine Trommler ist der in die Jahre gekommene Gaukler, der mit den bunten Schirmmützen und lustigen indischen Hosen, der Feuerschlucker, Späßchenmacher, der Jongleur. Es ist derselbe, über den wir uns jahrelang lustig machten, der unsren Spott und Hohn ertragen musste. Jetzt trommelt er. Aus Trotz. Und blankifiziert unser Gehirn. Das haben wir davon. Wie lange soll das noch so gehen?

Bitte, Trommler, hört mich an! Gaukelt wieder, feuerspuckt, zaubert und jongliert. Und lasst die Trommeln schweigen!

Wir werden nie mehr spotten. VW