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: HELMUT HÖGE über Gewerbefreiheit

Kein Karneval der KultHuren!

„Aber alle, alle kamen sie / Aus Roma und aus Napoli / Denn es stand schlimm um – la Puta ...“ Aber so schlimm auch wieder nicht: jedenfalls wenn man den deutschen Huren auf dem KultHur-Treffen in der Ufa-Fabrik glauben durfte, die sich im Gegensatz zu den ausländischen zumeist nur deswegen prostituieren, weil sie nirgendwo sonst so schnell so viel Geld verdienen können.

Zudem steht die rechtliche Anerkennung ihres Gewerbes kurz bevor. Umso erstaunter war ich über ihre Reaktion auf einen Vorschlag der Vertreterin von „Dona Carmen“ aus Frankfurt am Main. Diese, Juanita Henning, forderte eine „Green Card“ für ausländische Prostituierte, denen die Polizei in Frankfurt gerade das Leben besonders schwer macht – selbst wenn sie eine Arbeitserlaubnis haben: Als Prostituierte sind sie selbständig tätig, und das dürfen sie nicht. Wie die Furien fielen daraufhin die Schweizer Huren-Sprecherinnen und einige Berliner Organisatorinnen sowie die Bordellbetreiberin Felicitas („Pssst“) über Frau Henning her, die darob völlig baff war: „Dass die das nicht kapieren – erst geht es den ausländischen Huren an den Kragen und dann den deutschen.“

Ich vermutete etwas ganz anderes hinter diesem Bruch in der Huren-Solidarität, von der Gabriele Goettle behauptete, es gäbe sie sowieso nicht: gerade die Huren seien am allerspießigsten. Erst einmal sind die deutschen Prostituierten – jedenfalls in Frankfurt und in Berlin – inzwischen in der absoluten Minderheit. Dann handelt es sich bei den meisten deutschen um Gelegenheitsprostituierte mit Studentenstatus – ich würde sie durchweg als Ibiza-Blondinen bezeichnen. Nicht selten haben sie sich die Brüste aufgepoppt. Und wenn dann so eine Landpomeranze aus der Ukraine oder aus Thailand daherkommt und mit mehr Charme die Männer anfreiert als sie, reagieren sie rassistisch und sprechen von Dumpingpreisen, weil sie selbst höchstens noch auf die aussterbende Spezies der Schnurrbartträger mit Goldkettchen attraktiv wirken.

Nur in Graz haben diese Frauen es geschafft, dass alle 40 Bordelle dort bis jetzt Ausländerinnenfrei geblieben sind. Der Punkt dabei ist: Eine Frau, die sich aus Geldgeilheit prostituiert, ist einfach ein bisschen dämlich, jedenfalls wird sie es auf Dauer, während die ausländischen Prostituierten, denen nichts anderes übrig bleibt, in aller Regel klasse sind, hoch gebildet, neugierig und eher deprimiert statt ewig ibizagebräunt optimistisch. Wie ja überhaupt in Deutschland die gute Laune bereits ein Synonym für Schwachsinnigkeit ist.

Auf einer der Podiumsdiskussionen ging es um „Feminismus und Prostitution“. Eine der Teilnehmerinnen meinte: „Wenn es früher in der Frauenbewegung teilweise hieß, die Prostituierten sind die besseren – radikaleren – Feministinnen, dann hat sich dieser Gedanke heute umgekehrt: Viele – mainstreamige – Feministinnen sind heute die besseren Prostituierten.“ Eine dünne Domina erklärte zum Problem der andauernden Verfolgung – durch Polizei, Justiz, Zuhälter und Barbesitzer: „Es kommt auf die Zivilcourage jeder Frau an. Das ist eine Frage der Persönlichkeit – ob ich ausgenutzt werde oder nicht!“ Juanita Henning setzte noch einen drauf und kam auf Frauenhändler und Schlepperbanden zu sprechen, die sie für reine Medienenten hielt: dabei werde das veraltet-abfällige Wort Zuhälter ersetzt durch die moderne Schlepperbande.

Man kann mit gutem Gewissen bestreiten, dass es überhaupt solche Frauen-Opfer gibt, denn aus dem von Arbeitslosigkeit schwer heimgesuchten Osteuropa wollen mehr Frauen in den Westen, um hier notfalls auch anschaffen zu gehen, als alle Banden der Welt jemals rüberschleppen könnten. Warum sollten sie deswegen auch nur eine einzige Frau zwingen?

Aber es ist schwierig, anders als boulevardmäßig – d. h. schlickig-voyeuristisch – über Prostitution zu reden und zu schreiben – auch für Frauen: Die Prostituierte und Huren-Vorkämpferin Alice Frohnert zum Beispiel bekam in einem hessischen Bordell einmal ein paar aufs Maul, weil sie in einer Talkshow allzu aufklärerisch über ihr Gewerbe geredet hatte.

Vielen Prostituierten ist es lieber, von der Öffentlichkeit mit ein bisschen Glamour und Verruchtheit umgarnt zu werden. Nicht umsonst ist „Pretty Woman“ ihr Lieblingsfilm.