vaalsbröckchen 4
: Erich Ribbeck sprechspricht und sagt nichts

Jubilar begehrt Demission

„Ich spiele für DEUTSCHLAND, damit ich meinen Enkeln einmal erzählen kann, ich hätte 200- oder sogar 300-mal für DEUTSCHLAND gespielt.“

(Deutschland ist eine Freizeit-Elf aus Stolberg bei Aachen)

Beim Namensvetter mag es ähnliche Motive geben. Auch wenn für das andere Deutschland bislang niemand mehr als 148-mal tätig war. Aber um den 148-Ender ging es auch gestern wieder: Lodda. Immer wieder Lodda. Soll er spielen gegen England? Oder ist er ein Sicherheitsrisiko, ein siecher alter Fußballmann als Pflege- oder Sozialfall „reif für Madame Tussauds“ (Limburgs Dagblad)? Oder alles zusammen?

Keine Sorge: Er ist noch immer im Mannschaftslager in Vaalsbroek. Was keineswegs selbstverständlich ist, denn es soll im Team „einen Aufstand gegen Matthäus“ (Express) geben. Und: Gestern kam ein Vieraugengespräch mit Erich Ribbeck ans Tageslicht. Kernsatz Matthäus: „20 Jahre habe ich die Knochen für DEUTSCHLAND hingehalten. Wenn Sie mich nicht mehr brauchen, dann fahre ich ohne Theater zu machen nach Hause.“ Wobei, was keiner merkte, der 39,24-jährige Historiker auf den Tag genau vor zwei Dekaden, am 14. 6. 1980, erstmals seine Knochen hinhielt.

Ribbeck lehnte das Demissionsbegehren des Veteranen ab, wahrscheinlich weil er der falsche Adressat war. Spieler dieser Klasse machen Rücktrittsangebote besser beim Bundespräsidenten. „Wie Sie sehen, ist er noch hier“, sagt Ribbeck. Und sonst nichts. Wollte Matthäus seine Macht austesten? Ribbeck: „Ich will mich nicht in Einzelheiten verlieren.“ Und sonst: kein Kommentar. Aber auch kein Dementi des Streits. Es brodelt im Team. Mehr als die üblichen Eifersüchteleien, auch wenn das Matthäus-Theater manchem als Schutzschild für die eigene schwache Leistung gegen Rumänien dient. Spieler sagen im Einzelinterview, sie sagten lieber nichts. Was bei der mannschaftsinternen Krisensitzung beredet wurde: Betriebsgeheimnis.

Ablenkungsmanöver sind willkommen. So wie das öffentliche Chaos-Training am Mittwochabend im Eifeldorf Breinig, wo auf dem Gelände von Egidius Brauns Heimatclub hunderte Kinder den Platz stürmten. Selbst der Muskelfaserriss von Kapitän Oliver Bierhoff, der definitiv gegen England und Portugal spielunfähig ist, lenkt von Lothar ab. Und damit alle was anderes zu schreiben haben, gab Erich Ribbeck ohne Not die Sturmformation gegen England bekannt: Jancker, der „voll zur Sache“ gehen will, und Kirsten, der „Vollgas geben“ will, sind in der Startelf. „Weil sie bewiesen haben, dass sie gut zusammen spielen können“, so Fachmann Ribbeck. Was sie schon 45 Minuten taten, gegen Liechtenstein. Kirsten und Rink in Leverkusen dagegen nur eine halbe Saison.

Wir lassen uns nicht beirren. Und spekulieren, dass weiter spekuliert wird, ob Matthäus auf der Bahre oder in Fußballschuhen seine Spiele 149 und 150 absolviert. Und ob die vielen Fotos dieser Tage, die Matthäus als Fremdkörper im Kreis anderer Spieler zeigen (andere Blickrichtung, kein Shakehands, leis-spöttische Blicke), Dokumente der wahren Stimmung sind oder gezielte Stimmungsmache. Ribbeck hat derweil gerechnet: „Auch wenn wir gegen England verlieren, haben wir noch eine Chance aufs Viertelfinale.“ Na denn. MÜLL