zwischen den rillen
: Komplizierte Rockmodelle werden serienreif

Besser abfahren mit Chemie

Unter uns Börsianern gesagt: Amerikanische Rockmusik ist wertbeständig und krisensicher. So haben zuletzt Postrock und der so genannte Neue Rock (Korn, Limp Bizkit, Kid Rock) bewiesen, was da immer wieder geht; so verkauft sich auch das neue und schlechteste Album von Pearl Jam an der Supermarktkasse wie nichts sonst, und so feiert man die Pearl-Jam-Epigonen Matchbox 20, als gäbe es ihren Sound erst seit heute.

Doch auch abseits der gewohnten Spielarten tut sich was, abseits von Zentren wie Seattle, Boston, Chicago und San Francisco. Da werden die kompliziertesten Modelle plötzlich serienreif, da kramen junge und alte Dropouts in den Stilkisten herum, borgen sich hier was, dann dort, wissen oft aber gar nicht, dass sie genau das tun. Wie zum Beispiel die Band mit dem Unheil verkündenden und schwer zu merkenden Namen ... And You Will Know Us By The Trail of Dead. Aus dem Nichts, aus Austin/Texas, und ohne erkennbare Szenezusammenhänge tauchen die auf mit einem schon zweiten Album, das so tut, als gäbe es keine Rock-Vergangenheit, sondern nur Zukunft. Der Titel („Madonna“) und das Cover mit der indischen Götterfigur lassen zwar Schlimmes ahnen und an eine Speedmetalcombo mit Sektenanschluss denken. Doch auf dem Album schwappt jeder Song über vor Einfällen und Größe, Sturm und Drang, Pop und Punk, Sinfonien und Rock. Rauf und runter geht es da ohne Verschnaufpausen, Melodien schälen sich hier aus den Soundwällen und verlieren sich dort in langen Erzählungen, in Dreiminütern wie „Clair de lune“ oder einem Siebenminüter wie „Aged Dolls“. Große Namen ziehen vorbei und verschwinden wieder – man würde der Band damit nicht gerecht –, und es bleibt vor allem der Eindruck, als wollten ... And You Know Us By The Trail of Dead dem weißen Trash, dem sie entstammen, Geschmack und Manieren beibringen.

Was genau so schwer ist wie die aus dem kalifornischen Nest Modesto stammende Band Grandaddy unter einem Sound und einer Ideologie zu buchen. In Grandaddy meinte man öfters die kleine Schwester von Bands wie Pavement oder Weezer entdeckt zu haben, denen rutschte in ihre Punk-, Noise- und Lofi-Ästhetik gern auch ein Traditional oder eine Folkmelodie dazwischen, und gegen kaputte Elektronik hatte die Band auch nie was. Letzteres beweist sie allein mit der Cover-Art ihres neuen Albums, dessen Titel „The Sophtware Slump“ aus einzelnen Keys einer Tastatur gebildet ist und einen Berghang ziert. Im Booklet liegen dann kaputte Apple-Tastaturen im Staub, und ein Cowboy bestaunt mit einem Keyboard in der Hand erst einen Sonnenuntergang und dann den Mond. Modernisierungkritik, Technologieverweigerung? Nicht ganz: Grandaddy haben ihre Technik im Griff, zumindest deren Abfälle, und sagen sich: O.k. Computer! Das klingt nicht wie Beck und seine Hüllen mit nichts dahinter – „I try to sing it funny like Beck, but it’s bringing me lower than ground“ – sondern eher konstruktiv, nach Pop.

Mit nicht zuletzt schön angewandter Elektronik haben Grandaddy ein Album produziert, das gut zwischen die der Flaming Lips und Mercury Rev passt und zuweilen auch an Größen wie die dBs, gar die Beach Boys denken lässt. Wenn aber Grandaddy-Kopf Jason Lytle behauptet: „Die Maschinen werden immer von Menschen bedient und nicht umgekehrt“, scheint das eher Trotz als fester Glaube zu sein: Die Grundstimmung auf „The Sophtware Slump“ ist eine traurige.

Auf ihre Art Zweitverwerter sind auch Queens Of The Stone Age. Hervorgegangen aus der kalifornischen Stonerrock-Legende Kyuss, hat die Band den mächtigen Kyuss-Sound zu einer stadionkompatiblen heißen Wüstenscheiße perfektioniert. Das was bei Kyuss nicht klappte und von Vorturner Joshua Homme so erklärt wurde: „Wir begannen einen Raum in den schönsten Farben zu streichen, doch als wir dann fertig waren, standen wir alle zusammen ratlos in der noch weißen Ecke“, ist auf dem zweiten Queens-Album „Rated R“ farblich genau aufeinander abgestimmt, schlüssig komponiert, fett produziert. Aus den großen, weiten und psychedelischen Flächen sind nun schwer brummende, psychedelische Songs zwischen zwei und vier Minuten geworden, Gassenhauer mit Massenappeal, ohne weiße Flecken und mit sinnigen Titeln wie „Better Living Through Chemistry“ , „Feel Good Hit Of the Summer“ oder „Autopilot“. Wahrheiten jenseits solcher Statements und der dazugehörigen Musik gibt es für Queens Of The Stone Age nicht. Hat man sich einmal auf sie eingelassen, sieht die Rockwelt ganz anders aus. Dann heißt es nur noch: Anlegen und abfahren, anlegen und abfahren .........GERRIT BARTELS

... And You Know Us By The Trail Of Dead: „Madonna“ (Domino/Zomba); Grandaddy: „The Sophtware Slump“ (V2); Queens Of The Stone Age: „Rated R“ (Interscope/Motor)