VERHAFTUNG DES RUSSISCHEN MEDIENZAREN GUSINSKI IST ALARMIEREND: Gesetz des Stärkeren
Steuert Russland zurück zu einem autoritären System? Die Verhaftung des Medienmoguls Wladimir Gusinski hat die kritischen Journalisten und die wenigen liberalen russischen Politiker höchst alarmiert. Es gilt als ausgemacht: Die gegen den Geschäftsmann erhobenen Vorwürfe der Veruntreuung und des Machtmissbrauchs dienen nur als Vorwand, den einzigen nicht vom Kreml kontrollierten Medienkonzern zum Schweigen zu bringen und die Öffentlichkeit einzuschüchtern. Seit Monaten versucht die Hofkamarilla, das unbotmäßige Medienkonglomerat in die Knie zu zwingen.
Wladimir Putin versprach die „Diktatur des Gesetzes“ in dem bislang von Chaos und Willkür heimgesuchten Reich und wurde deshalb von den Bürgern gewählt. Inzwischen sind Zweifel angebracht, welches „Gesetz“ Putin meinte: ob den Rechtsstaat oder schlicht das Gesetz des Stärkeren. Dazu würde „Diktatur“ ohnehin besser passen.
Das juristisch fragwürdige Verfahren gegen Gusinski zeigt, wie sicher sich die Drahtzieher sind, dass ihr Rechtsbruch folgenlos für sie bleiben wird. Und auch der Gesichtsverlust im Ausland, das Wladimir Putin just bereist, wird offensichtlich nicht gefürchtet. Die russische Führung scheint bereit zu sein, das Land wieder in die Isolation zu führen – wenn dies nötig ist, um die eigene Macht zu sichern und damit den persönlichen Profit.
Auch wenn der russische Präsident beteuert, nicht informiert gewesen zu sein, kann dies nicht beruhigen. Denn die formale Begründung, auch in Russland seien Justiz und Strafverfolgung unabhängige Institutionen, mag naive Beobachter befriedigen. Die russische Praxis sieht anders aus. Kein Ärmelschoner fällt derart weitreichende Entscheidungen, ohne sich nach oben abzusichern. Es sei denn, er handelt im Auftrag von Kräften, die dem Kremlchef bewusst schaden wollen.
Putins theatralisch beteuerte Unschuld wirft zwei beängstigende Fragen auf: Ist der als „starker Mann“ gewählte Präsident in Wirklichkeit nur eine Marionette dunkler Hintermänner? Oder sagt der ehemalige Geheimdienstchef Putin bewusst die Unwahrheit? KLAUS-HELGE DONATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen