Spannende Wahlen, wenn sie denn wirklich kommen

Die Registrierung für die für den Herbst geplanten Kommunalwahlen im Kosovo geht langsam voran, vielleicht zu langsam. Die Parteienlandschaft hat sich ausdifferenziert

PRIŠTINA taz ■ Die Mitarbeiter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Kosovo stöhnen nur noch auf bei der Frage, ob denn die Kommunalwahlen, die für den Herbst geplant sind, überhaupt stattfinden können. Die Antwort kommt zögerlich. Man versuche alles, um die Wähler zu registrieren, es seien jedoch bis dato erst 190.000 Wähler verzeichnet. Bis Mitte Juli müssten in den 450 Registrierungsbüros noch über eine Million Menschen eingetragen werden.

Auch die serbische Seite macht dicht. Die Bitte, in Serbien Registrierungsbüros für die rund 100.000 Flüchtlinge aus dem Kosovo einzurichten, wurde abschlägig beschieden. Es sieht also schlecht aus, und die OSZE ist in die Kritik geraten.

Vor allem aus den USA kommen kritische Stimmen und politischer Druck. Geordnete Wahlen im Kosovo würden der Clinton-Regierung zum Ende ihrer Amtszeit noch einmal die Richtigkeit der eigenen Außenpolitik bestätigen.

Mitte Mai hatte das US-Repräsentantenhaus einen Rückzug der US-Truppen aus dem Kosovo im kommenden Jahr beschlossen, falls die Europäer ihren Verpflichtungen beim Wiederaufbau nicht nachkommen sollten. Der Antrag wurde zwar im Senat abgelehnt, aber die Drohung war klar, und sie zielt nicht nur auf die zögerlichen Finanzminister Europas, sondern auch auf die OSZE und die UN-Administration im Kosovo. Die sei zu uneffektiv, zu langsam, man müsse schleunigst lokale Verwaltungsstrukturen aufbauen, sagen die US-Amerikaner.

In der albanischen politischen Szene in Priština wird hinter der verzögerten Registrierung sogar eine Taktik vermutet. Die Europäer, so heißt es, wollten die Kommunalwahlen und die Wahlen für ein Parlament Kosovos, die für nächstes Jahr geplant sind, bewusst hinauszögern, um die Entwicklung in Serbien abzuwarten. Bei einem Machtwechsel dort wäre es leichter, Kosovo weiterhin an Serbien zu binden.

Dahinter steht offensichtlich die Vermutung, ein Kosovoparlament, wäre es denn einmal gewählt, würde angesichts der überwältigenden Mehrheit der albanischen Stimmen sogleich die staatliche Unabhängigkeit fordern.

Solcherlei Spekulationen seien völlig aus der Luft gegriffen, heißt es dagegen bei der „International Crisis Group“, einer renommierten privaten außenpolitischen Beratungsorganisation. Die Registrierung, meinen ihre Experten im Kosovo, gestalte sich schwierig, da die meisten Albaner nicht einmal über Papiere, über Ausweise oder Urkunden verfügten. Das Gros der Unterlagen der Gemeinden sei von den abziehenden Serben im Juni 1999 mitgenommen worden.

Unstrittig von allen Seiten begrüßt wird die Entwicklung der Parteien im Kosovo. Mit der Registrierung von jetzt über 20 Parteien habe sich die politische Landschaft differenziert, es sei ein demokratischer Prozess spürbar, betont der internationale Administrator Bernard Kouchner.

Favorit ist nach Schätzungen und Umfragen immer noch die Partei des ehemaligen Präsidenten Ibrahim Rugova, die „Demokratische Liga Kosova“. Erst an zweiter Stelle liegt die Partei des ehemaligen UÇK-Führers Hashim Thaci, die „Demokratische Partei Kosova“. Die ist durch Abspaltungen dezimiert: Zwei prominente ehemalige UÇK-Kommandeure haben jeweils eigene Parteien gegründet, die regional durchaus mehrheitsfähig sind.

Aber auch Ibrahim Rugova hat sich mit gravierenden Problemen herumzuschlagen. Seine Partei tut sich schwer damit, ihre Organisationsstruktur, die während des Krieges zerschlagen wurde, wieder zu rekonstruieren. Erschwerend kommt hinzu, dass Rugovas populärer ehemaliger Premierminister im Exil, Bujar Bukoshi, sich aus der Politik zurückgezogen hat.

Thacis „Demokratische Partei Kosova“ jedoch ist organisatorisch auf der Höhe. Aus diesem Grund wird ihr trotz der Abspaltungen zugetraut, in der Wählergunst noch aufzuholen.

Sollte es die OSZE doch noch wider Erwarten schaffen, die Wähler bis Mitte Juli zu registrieren, dürfte es im Oktober dieses Jahres zu einer spannenden Kommunalwahl kommen.

ERICH RATHFELDER