NGOs wollen Otto Schily Beine machen

Mit Gesetzen gegen Diskriminierung will das „Netz gegen Rassismus“ Ausländern das Leben in Deutschland erleichtern

BERLIN taz ■ Ein Anstoß für Bundesinnenminister Otto Schily soll er sein: Der Aktionsplan, den das „Netz gegen Rassismus – für gleiche Rechte“ gestern in Berlin vorlegte. Die knapp hundert Menschenrechtsgruppen, die sich Anfang 1998 zusammengeschlossen hatten, wollen mehr als Symbolik. Sie fordern konkrete politische Schritte: Ein Antidiskriminierungsrecht, um Opfern Klagen gegen rassistische Diskriminierung zu ermöglichen. Länder und Gemeinden sollen Beauftragte für Gleichbehandlung ernennen. Mehrere Staatsangehörigkeiten müssten künftig generell möglich sein.

Neben der Innen- und Rechtspolitik will das „Netz“ sein Augenmerk auf Bildung und Arbeitsmarkt legen. „Die Schule muss zum Lernort werden, wo unterschiedliche Kulturen zusammentreffen“, sagte Cornelia Spohn vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften. In den Unternehmen sollten Betriebsvereinbarungen getroffen werden, um gegen Diskriminierungen vorgehen zu können.

Obwohl der Aktionsplan ein „Beitrag“ zu Schilys „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ sein soll, sparen die Menschenrechtsgruppen nicht mit Kritik: Bereits im vergangenen Jahr hätten sie einen entsprechenden Maßnahmenkatalog angemahnt. Doch die Bundesregierung, die dem Rassismus im Koalitionsvertrag den Kampf angesagt hatte, winkte ab. „Daraufhin haben wir eben einen eigenen Aktionsplan angekündigt“, sagt Pro-Asyl-Sprecher Heiko Kauffmann. Stichtag: 15. Juni. Ein passendes Datum, hatte doch die Bundesrepublik vor genau 31 Jahren die UN-Antidiskriminierungskonvention unterzeichnet.

Doch Innenminister Otto Schily preschte mit seinem „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ vor. Obwohl Nichtregierungsorganisationen darin laut Koalitionsvertrag eine „Schlüsselrolle“ spielen sollten, bezog das Ministerium die wichtigsten Gruppen nicht in die Vorbereitungen ein. Zum Auftakt in der Berliner Staatsoper baten die Organisatoren keinen einzigen NGO-Vertreter ans Rednerpult. Ein Affront gegen die Menschenrechtsgruppen, die die Veranstaltung denn auch prompt boykottierten.

Ihnen missfiel nicht nur Schilys Alleingang, sondern der gesamte Ansatz seiner Ausländerpolitik. Daran, so die NGOs, würden auch „Propagandaveranstaltungen“ nichts ändern.

Dennoch sehen sie den Aktionsplan nicht als Gegenentwurf zu Schilys Bündnis, betonte Cornelia Spohn. „Ich glaube nicht, dass der Gesprächsfaden abgerissen ist.“ Nach seinem jüngsten Kurswechsel in Sachen Einwanderung ist der Innenminister für solche Vorlagen nun vielleicht zugänglicher.

NICOLE MASCHLER