Auf den Spuren des Preußenprinzen

Der Schlossführer von Rheinsberg beschränkt sich auf Andeutungen. Die Geschichte vom Kronprinzen Friedrich, der mit seinem Freund Katte vom Hof fliehen wollte und dann die Hinrichtung seines Liebsten mit ansehen musste – sie reduziert sich in seiner Erzählung auf eine Art Lausbubenstreich, von Liebe keine Spur.

Friedrichs demonstrativ zur Schau gestelltes Desinteresse an der Frau, die er auf Geheiß des Vaters schließlich ehelichen musste – das galt nur als Marotte eines Spitzenadligen und nicht als Protest gegen den Moralkodex seiner Zeit. Der große Friedrich – schwul? Das will der Preußenfreund nicht wahrhaben, und das glaubt die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ihren Besuchern nicht zumuten zu können.

In Rheinsberg, dem einstigen Musenhof Friedrichs und seines jüngeren Bruders Heinrich, geht es heute für die meiste Zeit des Jahres nicht anders zu als in irgendeinem anderen brandenburgischen Städtchen auch. Das ändert sich nur an den lauen Sommerwochenenden, wenn Berliner Homos gleich rudelweise im märkischen Idyll einfallen, um auf den Spuren von Fritz & Katte zu wandeln. Doch der war längst einen Kopf kürzer, als Friedrich das Rheinsberger Schloss bezog, und das grausige Spektakel hatte sich nicht dort, sondern im fernen Küstrin vollzogen.

Doch während Friedrich nur ein sechsjähriges Gastspiel gab, residierte sein Bruder Heinrich ein halbes Jahrhundert im Rheinsberger Schloss. Die beiden Prinzen ließen ihre Musenresidenz vom Architekten Knobelsdorff ausbauen, vom Maler Pesne ausmalen, vom Komponisten Graun mit Musik ausfüllen. In späteren Jahren fügte Heinrich ein Theater und eine Bibiliothek hinzu.

Seit sechs Monaten ist das Theater wieder eröffnet, und seit vielen Jahren schon zieht die Rheinsberger Kammeroper die schwulen Opernfreunde in den hohen Norden Brandenburgs. In diesem Jahr steht gar der „Kronprinz Friedrich“ selbst auf dem Programm, in Musik gesetzt von Festivalgründer Siegfried Matthus höchstpersönlich.

Das sommerliche Spektakel freilich führt sein Eigenleben, strikt geschieden vom Alltag dieser märkischen Kleinstadt, eine knappe Autostunde von der Metropole entfernt. Spannend wird es, wenn beide Sphären aufeinanderstoßen. Vor zwei Jahren wurden die Opernfans rüde aus ihren Träumen gerissen: Sie mussten sich auf dem Platz vor dem Schloss von der kahl geschorenen Dorfjugend anpöbeln lassen. RALPH BOLLMANN