Der Rubel rollt und das Rudel tollt

Rock am Ring Zwei: Hamburgs Rapper auf dem „Flash 2000“-Festival  ■ Von Eberhard Spohd

Mag Samy Deluxe tatsächlich keine Schwulen, wie vor zwei Tagen in dieser Zeitung kolumnisiert wurde? Warum hat Jan Eißfeldt so viele Namen, und darf so einer Nena singen? Hat Dendemann im Weltretten wirklich nur eine 4 Minus gekriegt? Warum darf bei den Eimsbush Allstars mit D-Flame ausgerechnet ein Frankfurter mittun? Sind Deichkind als Bergedorfer und Biertrinker eigentlich überhaupt echter HipHop? Sollten Platten von Ferris MC überhaupt an Jugendliche unter 18 Jahren abgegeben werden dürfen? Ist das alles, dieser Flash 2000, diese Chartstürmerei, dieses ständige „you re my nigger, Digger“-Gequatsche nur der Overkill oder schon der Ausverkauf?

Langweilige Fragen, deren Antworten keinen interessieren sollten. Denn irgendwo zwischen den Typen, die immer von sich behaupten, sie hätten schon HipHop gehört, als der noch gar nicht so hieß, während die, die ihn heute machen, noch in die Windeln geschissen haben, und denen, die mit der History eigentlich nichts anfangen können, aber Fünf Sterne Deluxe irgendwie total lustig finden mit dem „Willst Du mit mir geh'n“-Lied, steht die Musik. Und die ist gut, man muss nur einmal zuhören. Was manchmal etwas schwer fällt, denn die Strippen quasselnden Rapper neigen dazu, ihre DJs und Mixer zwar permanent und verdientermaßen zu loben, um ihnen dann doch wieder penetrant über die Beats zu reden.

So hört man von der Kunst der Mischer und Plattendreher oft nur noch wenig. Wer sich aber die Maxi-Singles kauft, wird belohnt mit der Instrumental-Version des jeweiligen Stücks und kann sich ohne Ablenkung in die Musik versenken, die die Vortuner an den Mikrophonen erst zu Stars werden lassen. Wobei diese Vorturner beim heute am Millerntorstadion stattfindenden Flash 2000 gehörige Kondition mitbringen sollten. Immerhin gilt es, geschätzte 20.000 Menschen von einer 20-Meter-Bühne aus zu rocken. Kein einfaches Unterfangen, wenn man selbst nur 1,75 Meter groß ist. Hinter dem Rapper stehen zwei winzige Plattenspieler, unter die sich der DJ ducken kann, und Tobi, Bo Zwei-tausendundwasweißichdenn-in-zwischen, Falk oder Spax müssen hüpfen, bis ihnen schwarz vor Augen wird.

Vor zwei bis drei Jahren hätten all die Gruppen, die heute auf der Bühne stehen, bestritten, jemals auf einem Open-Air-Konzert auftreten zu wollen. Und heute sagt DJ Rabauke von eins zwo, dass man sich über eines klar sein müsse: „Das ist wie Rock am Ring für HipHop.“ Und auch Fünf-Sterne-DJ Coolmann wog im Vorfeld bedenklich den Kopf hin und her und sagte bedächtig: „Da bin ich noch nicht so richtig down mit.“ Aber das hat schon wieder nichts mit der Musik zu tun, sondern mit Bedenkenträgertum. Und die Musik ist gut, wirklich.

Auch wenn die Definitionsmacht im deutschsprachigen Hip-Hop nicht zu 100 Prozent aus Hamburg kommt wie die Eimsbüshler gerne behaupten. Immerhin gibt es noch Ulm, wo sich mit den Kinderzimmer Productions ein tragfähiges und stilbildendes Projekt entwickelt hat, oder sogar Österreich mit DJs wie DSL oder Bands wie Texta, die immerhin schon Tracks zusammen mit Jurassic 5 aufgenommen haben. Um nur Beispiele zu nennen. Da hätte man sich schon überlegen können, ob man vielleicht ein paar Bands aus einem, sagen wir einmal, erweiterten Umfeld einlädt, um auch das Line-up des letztjährigen Flash ein wenig variieren zu könne. Aber gegen die Übermacht aus Hamburg könen sich gerade noch ein paar Stuttgarter wie Wasi und Immo behaupten oder die Münchner Oldschool-Veteranen von Main Concept.

Letztlich wird der heutige Nachmittag und Abend aber dennoch wieder all den Hamburger Heads Spaß bereiten, sowohl vor als auch auf der Bühne. Alte Bekannte wiederzusehen ist doch immer wieder schön: Man freut sich und kennt die Macken schon, die man dann geflissentlich übersehen kann. Und die Musik, sage ich Euch, die Musik wird gut sein.

Flash 2000, Millerntorstadion, Anpfiff 15 Uhr mit Dynamite Deluxe, Beginner, Fünf Sterne Deluxe, Fettes Brot, eins zwo, Ferris MC & DJ Stylewarz, den Eimsbush Allstars, DJ Friction feat. Wasi und Immo, Main Concept, Spax & DJ Mirko, Doppelkopf & Nina, deichkind, Mr. Schnabel, Moqui Marbles