Türkei nicht Cim Bom Bom

■ Ernüchterung bei den Fans in Deutschlands erstem Galatasaray-Istanbul-Fanclub

Erich Ribbeck kann sich glücklich schätzen. Nach dem lahmen Unentschieden seiner Elf gegen alternde Rumänen wird er in der Öffentlichkeit mit Glacéhandschuhen angefasst – jedenfalls im Vergleich mit seinem türkischen Kollegen Mustafa Denizli.

„Kann den nicht endlich mal jemand zum Mond schießen, diesen Asi Denizli“, entfährt es einem frustrierten Fan nach der desolaten Leistung gegen Schweden draußen auf der Straße – im Lokal des offiziellen Bremer Galatasaray-Fanclubs sind Beschimpfungen nämlich verboten. Unübersehbar neben dem gigantischen TV-Bildschirm ist diese Hausregel in den rot-gelben Vereinsfarben nachzulesen.

„Das ist, damit wir auch das Lokalderby friedlich zusammen ansehen können“, sagt der Vorsitzende Hasan Küsneci mit einem Nicken zu seinem Vorstandskollegen. Ferhat Ipeken ist nämlich gar kein Fan von Cim Bom Bom, wie Galatasaray unter Fans heißt. Schlimmer noch, sein Herz gehört dem Lokalrivalen Fenerbahce. Und auch ein Fan von Besiktas, dem dritten Erstliga-Club der Bosporus-Metropole, sitzt im Vorstand des bundesweit ersten Galatasaray-Fanclubs. Das wäre in der Türkei ausgeschlossen: Die Erzfeinde in einem Fanclub vereint! In der Fremde rückt man zusammen. Zum Derby bekamen die Fenerbahce-Fans dies Jahr gelb-rote Rosen und revanchierten sich mit Pralinen.

„Galatasarays UEFA-Cup-Sieg hat alle Türken hier mitgerissen – sogar Nicht-Fußballfans“, sagt Ipeken. „Früher sind viele Türken nach Fußball-Niederlagen nicht zur Arbeit gekommen, weil sie den Spott der deutschen Kollegen fürchteten“, erinnert sich der Mann mit der Intellektuellen-Brille, „heute ist es umgekehrt.“ „Nach dem entscheidenden Elfmeter haben im Clublokal Fans aller Vereine auf den Tischen getanzt, manche weinten sogar“, sagt Küsneci. Einer habe gerufen: „Endlich kann ich so rumlaufen“, und die Brust rausgestreckt.

Die all-türkische Fan-Kooperation ist in Istanbul offensichtlich akzeptiert. Die Beziehungen zu Galatasaray sind jedenfalls exzellent. Das begann schon bei der Gründung des Fanclubs: Auf eine erste Anfrage kam nach drei Tagen die Einladung nach Istanbul, wo Küsneci und Mitbegründer Ali Birinci feierlich in den Stand des offiziellen Fanclubs erhoben wurden – aufmerksam begleitet von der türkischen Presse. Der Tageszeitung „Star“ war „Europas zweiter Galatasaray-Fanclub“ (nach Zürich) sogar eine ganze Seite wert. Ehemalige Profis, darunter auch welche von Fenerbahce, geben sich die Klinke in die Hand und lassen sich begeistert mit den Bremer Stadtmusikanten ablichten. Das Bremer Beispiel hat inzwischen in anderen deutschen Städten Schule gemacht.

Die Bremer wollen künftig mehr tun, als nur Satelliten-Fußball zu zeigen und Fanartikel wie Galatasaray-Shampoo oder -Unterwäsche (für sie und ihn) an den Mann zu bringen. Durch eine Fusion mit dem Kreisklasseclub „International“ soll ein eigener Spielbetrieb aufgebaut werden, dann eine Jugendabteilung. „Wir wollen unseren Jugendlichen eine Perspektive bieten. Und die sind leichter zu motivieren, wenn sie in gelb-rot antreten“, sagt Küsneci. Der ehemalige Torwart der Werder-Amateure träumt auch schon davon, Talente in die türkische Liga zu entsenden.

Doch vorerst hat der Club andere Probleme: Ein Nachbar beschwert sich, dass er bei jedem Tor für Galatasaray aus dem Bett falle. Seitdem kommt ständig die Polizei zu Besuch, was den rund 80 Mitgliedern den gemeinsamen Fußball-Genuss verleidet. Wenn sich dann noch Spiele wie das gegen Schweden häufen sollten, könnte das Vereinsleben einen empfindlichen Dämpfer bekommen. Aber bald spielt ja wieder Cim Bom Bom ... not