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Voll vergurkt

Wegen der bisher unzureichenden Meldung von Flora-Fauna-Habitat-Gebieten drohen Deutschland hohe Strafgelder. Auch EU-Mittel aus Agrar- und Umweltprogrammen werden zurückgehalten

von OLE SCHULZ

Anderthalb Quadratkilometer Land werden in Deutschland täglich zugebaut. Durch eine großzügige Ausweisung von Gewerbegebieten, durch den Bau von überdimensionierten Wohnsiedlungen am Stadtrand oder auf der grünen Wiese und angesichts eines ungezügelten Straßenneubaus sind nach der Wende vor allem in den neuen Bundesländern viele Naturgebiete zerstört worden.

Durch die UN-Umweltkonferenz 1992 in Rio wurde zwar auch Deutschland dazu aufgerufen, eine „nationale Strategie nachhaltiger Entwicklung“ zu formulieren. Doch hier zu Lande hat sich seitdem in dieser Frage wenig bewegt, trotz Rot-Grün. Heute gehöre Deutschland „zu den Nachzüglern dieser Entwicklung“, urteilte der Sachverständigenrat für Umweltfragen in seinem „Umweltgutachten 2000“ vom März.

Bezeichnend ist, dass die deutschen Bundesländer bisher nur wenige so genannte Flora-Fauna-Habitat-Gebiete (FFH) gemeldet haben. Durch diese EU-Richtlinie von 1992 sollen eigentlich Schutzgebiete für bedrohte Pflanzen und Tiere geschaffen werden, besonders die Vernetzung schutzwürdiger Biotope untereinander steht dabei im Mittelpunkt – nur so, schreibt die Richtlinie vor, könne „Kohärenz“, also ein „zusammenhängendes ökologisches Netz“, erreicht werden.

Bis 1995 sollten die Gebietsmeldungen in Brüssel vorliegen – Deutschland liegt im Vergleich zu anderen EU-Ländern aber weit zurück. Trotz massiven Drucks aus Brüssel und den bis Januar 2000 erfolgten Nachmeldungen liegt der Anteil dieser Gebiete bis jetzt bei durchschnittlich nur drei Prozent der Landesfläche, während etwa Italien und Spanien über 15 Prozent, Griechenland sogar 20 Prozent als Flora-Fauna-Habitat-Gebiete gemeldet haben.

Schon 1992 war neben der FFH-Richtlinie mit dem Maastrichter Vertrag ein Sanktionsmechanismus eingeführt worden, um bei gemeinschaftlich beschlossenen Umwelt- und Naturschutzbestimmungen säumige Mitgliedstaaten empfindlich zur Kasse bitten zu können.

Die Strafgeldzahlungen richten sich nach dem Bruttosozialprodukt des jeweiligen Mitgliedstaates und der „Schwere des Vergehens“ und können im Falle Deutschlands bis zu 1,5 Millionen Mark am Tag betragen. Im Februar 1999 hat die Europäische Kommission in der FFH-Frage Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Gerichtshof in Luxenburg eingereicht, mit einem Urteil ist frühestens im Herbst zu rechnen.

Bußgelder muss der Bund dann aber immer noch nicht bezahlen. Denn die Vertragsstrafen werden erst nach dem zweiten Urteil fällig – dann allerdings rückwirkend vom Tag des ersten Urteils. „Wenn das Urteil gefällt ist, läuft die Uhr für die Bundesregierung“, beschreibt Claus Meyer vom Deutschen Naturschutzbund die Situation. Bis dahin dürfte die Bundesregierung wohl noch ein weiteres Jahr Zeit haben.

Viel schwerwiegender sei aber, kritisieren die Naturschutzverbände, dass durch die Nichtmeldung der FFH-Gebiete Gelder aus den Agrar- und Umweltprogrammen der EU verloren gehen könnten.

Ein davon betroffenes Modellgebiet für nachhaltige Regionalentwicklung ist der Spreewald. 1991 wurden 48.000 Quadratkilometer in den Niederungen des Spreewaldes zum Biosphärenreservat erklärt. Seitdem gibt es zum Beispiell wieder mehr Weißstörche in der Region, was nicht zuletzt darauf zurückzuführen ist, dass mehr als zwei Drittel des Grünlandes ohne Dünger und Pflanzenschutzmittel bewirtschaftet werden

Der Verein „Spreewald e.V.“ hat dabei die Aufgabe übernommen, einen regionalen Wirtschaftskreislauf zu fördern, und setzt dabei ganz auf die bekanntesten Produkte der Region: Gurken und und Meerrettich. Im Anbau und der Verabeitung dieser Spreewald-Spezialitäten arbeiten mittlerweile über 4.000 Menschen. Häufig sind die Anbauflächen nur auf dem Wasserweg zu erreichen, was eine Mechanisierung erschwert, dafür aber eine nachhaltige Nutzung erleichtert.

„Wir führen regelmäßig Qualitätskontrollen durch“, sagt der Projektleiter Hans-Joachim Kohlase. Das Spreewald-Logo werde nur dann vergeben, wenn der Rohwarenanteil mindestens 70 Prozent beträgt und frische Kräuter und Gewürze aus der Umgebung benutzt werden. Es gelte sich schließlich gegen „Trittbrettfahrer“ zu schützen, die „Spreewald“ auf das Etikett drucken, obwohl die Gurken irgendwo aus Osteuropa kommen. „Wir verraten unsere Heimat doch nicht des schnöden Mammons wegen“ (Kasten Seite 34).

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