die stimme der kritik
: Betr.: Fehlende Zahlungsmoral

Peanuts mit Folgen

Plötzlich geht alles ratzfatz. Die Lohnbuchhaltung überweist das Gehalt ein paar Tage zu spät, der Dispo wird überschritten, die Bank führt keine weiteren Überweisungen mehr aus – und der Kunde erfährt davon erst, wenn er unversehens seinen keifenden Vermieter an der Strippe hat. Kurz: Alle Räder stehen still, wenn es deine Bank so will.

Wie über die Maßen erfreulich ist da die Kunde, dass es auch andersherum gehen kann. In den Vereinigten Staaten nämlich ist das Bankhaus J. P. Morgan & Company für 24 Stunden aus dem Internet geflogen, weil es seine Online-Registrierungsgebühr nicht gezahlt hatte. Es handelte sich um einen Betrag von lumpigen 35 Dollar – eine Quantité négligeable für eine 21 Milliarden Dollar schwere Bank, möchte man meinen. Und so dachte man wohl auch bei der Bank. Die nämlich ignorierte die mehrfachen Mahnungen von Network Solutions.

Der Internetanbieter indes mochte die laxe Zahlungsmoral nicht so ohne weiteres hinnehmen und nahm seinen Kunden kurz entschlossen vom Netz. Aus war’s fürs Erste mit www.jpmorgan.com und der vollmundigen Eigenwerbung „Morgans Ziel ist es, die Nummer eins unter den Online-Anlageberatern für den Millioneninvestor zu werden“. Der Zahlungsmoral der Banker wurde sprunghaft aufgeholfen. Immerhin hätte als nächstes die Streichung des Domain-Namens gedroht.

Ein amüsanter Einzelfall? Von wegen! Erst im vergangenen Jahr hatte es ausgerechnet der Softwaregigant Microsoft verabsäumt, die Domainregistrierung für seinen E-Mail-Service Hotmail durch Zahlung von – schon wieder! – 35 Dollar zu verlängern. Damals hatte sich ein Privatmann in letzter Minute erbarmt und für den Riesenkonzern die Petitesse gezahlt. Schade eigentlich!

Ein Sprecher von Network Solutions ließ es sich nicht nehmen, seinen saumseligen Großkunden süffisant auf eine einfache Vorsorge hinzuweisen, nämlich die Gebühren gleich für zehn Jahre im Voraus zu entrichten. Der taz-Chor mag da nicht nachstehen und schickt als musikalischen Gruß eine paar Takte Brecht und Weill über den Atlantik: „Ach, bedenken Sie, Herr Jakob Schmidt, bedenken Sie, was man für dreißig Dollar kriegt: zehn Paar Strümpfe und sonst nichts!“

REINHARD KRAUSE