„Das gibt eine Katastrophe“

Nach der Zustimmung der Weltbank zu einem umstrittenen Ölprojekt im Tschad und in Kamerun: Yorongar Ngarlejy, führender Oppositioneller im Parlament des Tschad, warnt vor Umweltschäden, Militarisierung und Bürgerkrieg

Die Weltbank hat am 5. Juni Kredite für ein Ölprojekt bewilligt, bei dem im Süden des Tschad Öl gefördert und über eine Pipeline nach Kamerun zum Export gebracht werden soll. Sie sind einer der führenden Gegner des Projekts. Wieso?

Yorongar Ngarlejy: Die Bevölkerung der Ölfelder akzeptiert die Ölförderung unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht. Sie hat Angst, eine Situation wie die der Ogoni in Nigeria zu erleben. Man wird hier 300 Bohrlöcher bauen, die zentral verbunden werden müssen; ein Netzwerk von Pipelines wird also die Gegend durchziehen. Wenn es ein Leck gibt, gibt es eine Katastrophe. Das Trinkwasser wird verseucht werden, die Flüsse, die in den Tschadsee fließen, auch. Die Nachbarländer Nigeria, Kamerun und Niger, die an den See grenzen, werden also auch darunter leiden.

Aber hat die Weltbank nicht eine Garantie des Förderkonsortiums erhalten, dass die Förderung anders vonstatten geht als in Nigeria?

Glauben Sie an die Güte der Weltbank-Funktionäre? Die tschadische Bevölkerung ist ihnen egal. Was sie interessiert, ist ihre Karriere, denn es gibt Weltbank-Funktionäre, die allein für dieses Projekt eingestellt wurden und arbeitslos werden, wenn es nicht zustande kommt. Wie auch immer: Ich fürchte, dass die Weltbank-Entscheidung die jungen Leute der Region dazu bringt, sich Rebellen anzuschließen. Die Militarisierung der Region geht bereits voran. Die Republikanische Garde befindet sich im Angriff. Die Menschenrechtslage ist dramatisch.

Was für Rebellen gibt es?

Die wichtigste Gruppe, die „Demokratische Widerstandsbewegung“ (MRD), wird vom ehemaligen Sicherheitsberater des tschadischen Präsidenten geführt, Oberst Moisse Kette Nodji. Er rekrutiert Jugendliche. Es gibt andere Gruppen: Die „Bewegung für Demokratie und Gerechtigkeit im Tschad“ (MDJT) hat fast den gesamten Norden des Landes erobert; die Regierung beherrscht heute nur noch die wichtigste Stadt der Region, Faya-Largeau, aber das wird nicht mehr lange dauern. Man wird sehen, ob die Weltbank-Entscheidung unter diesen Umständen umgesetzt werden kann.

Aber Sie sind nicht gegen Ölförderung an sich?

Nein. Ein verantwortlicher Politiker kann nicht gegen Ölförderung sein, die zur Entwicklung des Landes beitragen kann. Aber 4 Milliarden Dollar auszugeben, um für den tschadischen Staat Einkommen von lediglich 50 Milliarden CFA-Franc (150 Millionen Mark) zu erwirtschaften, ist lächerlich.

Was werden Sie jetzt machen?

Die tschadische Verfassung erlaubt mir, mich dem Projekt zu widersetzen. Als Parlamentarier, also Vertreter der gesamten Nation, bin ich gegen dieses Projekt, solange die Bedingungen von Transparenz und gerechter Verteilung nicht eingehalten werden. Ich beschuldige die malaysische Firma Petronas, die Teil des Förderkonsortiums ist, chinesische Häftlinge importiert zu haben, als sie im Sudan eine Ölpipeline baute – in einer Region, wo die einheimische Zivilbevölkerung massakriert wird.

Können Sie sich in Washington Gehör verschaffen?

Es gibt noch Möglichkeiten, zum Beispiel eine interne Prüfung in der Weltbank. Ich werde mich mit NGOs der Industrieländer beraten, um eine solche Forderung zu stellen.

INTERVIEW: FRANÇOIS MISSER