„Länger als viele denken“

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Rainer Brüderle über die Zukunft seines Parteichefs Gerhardt

taz: Jürgen Möllemann sagt, er will bei der kommenden Bundestagswahl 2002 für die FDP 18 Prozent erreichen. Teilen Sie diesen Optimismus?

Rainer Brüderle:In der Tat ist es so, dass die FDP hervorragende Zukunftsaussichten hat. Wir haben den Wendepunkt durch die jüngsten Landtagswahlen geschafft und nun die Chance, dass sich die politische Landschaft neu strukturiert. Die Grünen werden verschwinden, wir werden wieder die drittstärkste politische Kraft.

Wie lang bleibt Wolfgang Gerhardt noch Parteivorsitzender?

Viel länger als viele denken.

Konkret?

Die Personaldiskussion schadet der Partei. Ich beteilige mich nicht an solchen Spielchen zu Lasten der FDP in der Öffentlichkeit. Mein Ziel ist es, dass die Partei noch stärker wird, als sie es jetzt schon ist. Wie beim Fußball brauchen Sie ein Team, um gemeinsam Erfolg zu haben. Einzelprofilierungen zu Lasten des Teams helfen da nicht weiter.

Wie wird die FDP der Zukunft aussehen?

Sie wird mit Grundsätzen, die wir immer beherzigt haben, auch in Zukunft Erfolg haben: weniger Staat, mehr Eigenverantwortung und Strukturen, die die Menschen nicht behindern.

Soll die Partei mit den beiden Leitanträgen zu einer „herzlicheren“ Sozialpolitik und zu einer Bürgerrechtspolitik durch „Mehr Demokratie wagen“ einen anderen Anstrich kriegen?

Nein. Wir haben uns als erste der bundesdeutschen Parteien nach der Vereinigung 1990 mit dem Wiesbadener Grundsatzprogramm ein neues Programm gegeben. Insofern haben wir keinen grundsätzlichen programmatischen Bedarf. Wir haben diesen Parteitag in Nürnberg aber unter drei Schwerpunkte gesetzt: neben dem sozialpolitischen und dem bürgerrechtlichen auch die ordnungspolitische Dimension der Wirtschaftspolitik, bei der der Mittelstand deutlich stärker berücksichtigt werden muss, als das bei Rot-Grün der Fall ist.

Wie begegnen Sie dem Vorwurf, die FDP hänge einmal mehr ihr Fähnchen in den sozialliberalen Wind?

Wir hängen überhaupt kein Fähnchen in den Wind. Das ist Quatsch. Es steht in Berlin keine Veränderung an. Vielmehr haben wir in Nordrhein-Westfalen gezeigt, dass wir auch ohne Koalitionsaussage in einem für uns nicht einfachen Bundesland zehn Prozent erreichen können. Auch dadurch, dass viele Wähler von der SPD und aus dem Potenzial der Nichtwähler zu uns gekommen sind.

INTERVIEW: KARIN NINK