„Ich kann warten“

Sandra Völker nach den Deutschen Schwimm-Meisterschaften in Berlin über das Geheimnis ihres Erfolgs, das Treiben der Konkurrenz, unlautere Medien und über die Hysterie um „Fast Skin“

Interview MARKUS VÖLKER

taz: Ist die Vorfreude auf Olympia in Sydney nach den Rennen in Berlin schon groß?

Sandra Völker: Vom Adrenalinstoß und von der Aufregung her hatte die Deutsche Meisterschaft fast einen höheren Stellenwert als Olympia. Ich bin im Vorfeld von Berlin richtig gereizt gewesen. Ich entschuldige mich hiermit bei allen, die ich angemacht habe.

Sie schwimmen seit Jahren über die kurzen Kraul- und Rückendistanzen vorn, in Berlin sogar einen neuen Weltrekord über 50 Meter Rücken. Wie schafft man das?

Das ist natürlich die Erfahrung, die man gesammelt hat. Ich bin sehr, sehr viele Wettkämpfe in meinem Leben geschwommen, und jedesmal kommt wieder ein Höhepunkt, der motiviert. Und die 50 Meter Rücken sind so etwas wie mein Baby.Ich wollte den Weltrekord unbedingt zurückhaben.

Das laugt physisch nicht irgendwann aus?

Was den Körper angeht: Der verändert sich. Er reagiert nicht mehr so. Entweder man hat ein paar Gewichtsprobleme oder bekommt plötzlich Kopfschmerzen, obwohl man die nie hatte. Manches macht sich im Alter stärker bemerkbar.

Muss man sich Sorgen machen?

Ich habe das ebenso festgestellt. Manche sagen natürlich: Du bist so viele Wettkämpfe erfolgreich geschwommen, warum zum Teufel musst du noch einmal zeigen, dass du schnell schwimmen kannst. Aber es hat ja ganz gut hingehauen.

Im Vorfeld der Meisterschaften purzelten die Weltrekorde im Dutzend, hat Sie das nervös gemacht?

Also ich habe das einfach mal so hingenommen, weil das in einem Zeitraum passiert ist, wo eigentlich keiner fit ist, außer den Personen, die die Weltrekorde geschwommen sind. Die wollten sicherlich damit schocken. Und, na ja, ich kann nur sagen, das ist sehr bemerkenswert, aber bei Olympia werden die Karten neu gemischt. Dann entscheidet es sich. So lange kann ich warten.

Ihr Trainer Dirk Lange pflegt die Spitzenzeiten von Inge de Bruin pointiert zu kommentieren; er mutmaßte, die Niederländerin schlafe wohl das ganze Jahr im Kraftraum?

Mittlerweile machen wir unsere Witze darüber. Wir wissen alle, worum es geht, aber man kann es nicht aussprechen. Ich will nichts unterstellen, will eigentlich gar nichts dazu sagen, weil ich denke, das steht für sich, dazu braucht man nichts zu sagen.

Sieht Ihr Trainer das anders?

Wir sagen häufig unsere Meinung. Dabei geht es nur um ehrliche Kritik. Man äußert sich halt auch mal über andere. Für manche Blätter ist das natürlich ein gefundenes Fressen, zum Teil wird einfach falsch ausgelegt. Die versuchen Feindbilder aufzubauen und richtig toll in die Kerbe zu schlagen. Da steht man schnell als Bösewicht und Anstifter da.

Wie nach Langes Feststellung, bei Franziska van Almsick handele es sich um den Zlatko der Schwimmszene: nichts drauf, aber viel Trubel?

Ich sage lieber, was ich denke, als dass ich damit schwanger gehe. Aber manche Medien können oder wollen schon nicht mehr auseinander halten, was ich und was mein Trainer gesagt haben. Die Bild-Zeitung hat das falsch ausgelegt, bei dem Interview saß ich ja neben Dirk. Wir haben immer wieder Probleme mit denen.

Es heißt, Sie selbst verweigerten sogar die Einnahme von Vitaminen, um zu dokumentieren, dass Sie jegliche synthetische Substanz zur Leistungssteigerung ablehnen?

Nein, nicht ganz. Wenn ich einen Mangel habe, dann nehme ich das. Es gibt aber keine Präparate, die ich täglich nehme. Ich weiß, dass das nicht mehr zeitgemäß ist, aber ich habe eine Antipathie gegen synthetische Mittel. Aber wir sprechen ja nicht von Vitaminen, oder?

Sprechen wir doch von den neuen Speedo-Schwimmanzügen, die angeblich Athleten schneller machen sollen. Selbst darauf verzichteten Sie an den ersten beiden Tagen der Meisterschaft.

Ich habe den Anzug. Aber ich finde es beschämend unfair gegenüber anderen Athleten, die diesen Anzug nicht bekommen können, weil sie bei einem anderen Ausrüster unter Vertrag sind. Das ist einfach ein psychologischer Trick von Speedo, zu sagen, wer den nicht hat, schwimmt langsam.

Ist das nicht so?

Wenn ich andere gefragt habe, haben die gesagt: Wahnsinn, ich bin total leicht im Wasser. Noch kann ich nichts dazu sagen.

Es gab einige Hysterie ums neue Textil, die „Fast Skin“.

Die Hysterie ist definitiv da. Die haben es geschafft – leider. Nur: Es gehört immer noch ein schneller Schwimmer dazu. Wer denkt, ach ja, ich schwimm so lala und ziehe das Ding an und werde Weltrekordhalter – das funktioniert natürlich nicht.