Der Tod kommt auf Raten

Freie Träger und Projekte werden in den kommenden drei Jahren um jeweils 5 Prozent gekürzt.So schreibt es das Haushaltssanierungsgesetz vor. Konkurrenz, aber auch Widerstand formiert sich

von JULIA NAUMANN

Der Projekte-und-Träger-Landschaft steht in den nächsten drei Jahren der Kahlschlag bevor. Jede Senatsverwaltung muss allen Projekten, Vereinen und Institutionen, die Gelder bekommt, drei Jahre lang hintereinander 5 Prozent der Mittel kürzen. Gegen diese Maßnahme, die im Rahmen des Haushaltssanierungsgesetzes bereits im Februar dieses Jahres von der großen Koalition beschlossen wurde, wollen die Träger jetzt mobil machen.

Betroffen sind rund 1.400 so genannte Zuwendungsempfänger. Dazu gehören unter anderem Beratungsstellen und Abenteuerspielplätzen, Obdachlosenprojekte und Jugendfreizeitstätten. Auch Zoo, Tierpark und Sternwarte sind dabei. Die Empfänger bekommen jährlich insgesamt rund 700 Millionen Mark. Innerhalb von drei Jahren sollen 100 Millionen Mark eingespart werden.

Am stärksten werden die MitarbeiterInnen von den Kürzungen betroffen sein, denn 90 Prozent der Zuwendungen werden für Gehälter verwendet. Von den Einsparungen sind nur solche Einrichtungen ausgenommen, die mit dem Senat langfristige Verträge haben. Dazu gehören zum Beispiel die Universitäten und die BVG.

Die einzelnen Verwaltungen können selbst entscheiden, wo und wie sie die Einsparungen vornehmen, ob sie also nach dem Rasenmäherprinzip überall gleich viel kürzen oder ganze Projekte einstellen. Entsprechende Aussagen gibt es von den Verwaltungen noch nicht. Das löst große Unsicherheit aus. „Wir haben überhaupt keine Planungssicherheit mehr“, klagt zum Beispiel Ludwig Held, Sprecher des Projekteplenums Kreuzberg-Friedrichshain.

Einige Projekte haben bereits ausgerechnet, was es bedeuten würde, wenn ihre Mittel jedes Jahr um 5 Prozent gekürzt würden. Der Verein Freien Hilfe, der Straffällige während und nach der Haft betreut, bekommt von der Justizverwaltung jährlich 250.000 Mark. 15.800 Mark davon sind Sachkosten für Miete und Strom. Fallen 12.500 Mark Kürzungen weg, dann muss mindestens eines der 12 Einzelprojekte pro Jahr sterben, befürchtet Mitarbeiterin Karin Krause. Sie plädiert dafür, dass sich die Projekte einem Evaluationsverfahren unterziehen. „Es ist nur sinnvoll, wenn gezielt gekürzt wird, das Rasenmäherprinzip nützt niemandem.“

Bei Gedok, einem Verein, der Künstlerinnen fördert und Ausstellungen, Lesungen und Konzerte organisiert, würden im Falle 5-prozentiger Kürzungen die Honorare weit unter das Tarifniveau fallen. Bei der „Beratungsstelle für Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien“ der Arbeiterwohlfahrt befürchtet Sozialarbeiterin Jasenka Villbrandt, dass mindestens eine halbe Stelle eingespart werden müsste. „Dabei wissen wir jetzt schon nicht, wie wir die ganze Arbeit bewältigen sollen.“

Ein Teil der Projekte will jetzt den Widerstand gegen die Kürzungen organisieren. Die Grünen im Abgeordnetenhaus wollen sie dabei unterstützen. „Die gesamte soziale Infrastruktur wird zerstört“, sagt die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Elfi Jantzen. Vor zwei Wochen hat es bereits ein Treffen mit 250 Trägern gegeben. Doch ein gemeinsames Konzept zu finden ist nicht einfach. Denn weil noch unklar ist, welche Projekte es wie hart treffen wird, gibt es auch Konkurrenz. Die Finanzverwaltung sieht „keinen Spielraum“ für eine Änderung. Die Grünen wollen dennoch alle parlamentarischen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Kürzungen im Haushaltssanierungsgesetz zu kippen.