Alles Oranjegrün pinseln

Die Niederländer wollen nach leidlich überspielten Anfangsschwierigkeiten und einem 3:0 über Dänemark die Zukunft in den Farben des Landes und der Hoffnung auf den Titel anstreichen

Aus Rotterdam RALF MITTMANN

Niederlande 3, Dänemark 0. Im Stadion „de Kuip“ in Rotterdam sangen siegestrunkene Männlein und Weiblein noch zwanzig Minuten nach Spielschluss das Lied vom „Campeone“, und wer die wabernde Masse der in Oranje gekleideten holländischen Fans begutachtete, der kann sich leicht vorstellen, wie sie zwischen Nordseeküste und der Grenze zu Belgien demnächst Häuser und Bürgersteige anmalen werden.

Oranje, so wünschen es sich die Niederländer, soll die Farbe dieses Sommers, der Titelhoffnung sein. Und die Chancen dazu haben sich am vergangenen Freitagabend erhöht. Das meint selbst der Hohepriester des holländischen Fußballs, der zu den härtesten Kritikern zählt: Johan Cruijff. Er erklärte, dass ihm nicht alles gefallen habe, er aber zufrieden sei. „Die Kontrolle im Mittelfeld muss noch besser werden“, sagte er, „aber allein das Ergebnis hilft schon weiter, weil es Selbstvertrauen und Zuversicht vermittelt.“

An den Lippen des Stars der 70er-Jahre hängen alle, die sich in den Niederlanden für „Voetbal“ interessieren. Meist würde eine gewisse Anlaufzeit benötigt, lässt der Meister wissen, und das sei auch gut so, weil viele Gefahren auf ein Team lauerten, das von Anfang an auftrumpfe. Er warnt vor Selbstüberschätzung und Schlampigkeiten im Alltag, vor Unvorsicht und der Unfähigkeit zu reagieren, wenn es plötzlich nicht mehr so laufe wie gewohnt. Der Schlusssatz von „König Johan“: „Gute Teams wachsen mit der Bewältigung von Anfangsproblemen.“

So darf also angenommen werden, dass sich die Mannschaft von Bondscoach Frank Rijkaard auf dem richtigen Weg befindet. Beim 1:0-Sieg gegen Tschechien dank eines Elfmeterpräsents des italienischen Schiedsrichters Collina gerade noch mal davongekommen, mussten die Holländer auch am Freitag leiden. Erst die Tore brachten Erleichterung.

Zuvor aber hatte sich Rijkaards Elftal gegen ballsichere, frech attackierende Dänen eine Halbzeit lang förmlich ins Spiel hineinkämpfen müssen. Eine gute Übung war das aber allemal, hatte doch der Bondscoach seinen Akteuren den Vorwurf gemacht, sie ließen „eine hundertprozentige Einstellung zum Turnier vermissen“.

Dieser Satz hatte Oranjes Fußballer geärgert, in ihrer Ehre getroffen und auch angestachelt. „Wir haben sehr wohl einen exzellenten Teamgeist“, erklärte Dennis Bergkamp, „wir wissen um unsere Chance und haben den festen Willen, sie zu nutzen.“ Das, fuhr er fort, hätten sie dem Trainer auch deutlich gesagt und „auch auf dem Platz bewiesen“. Seinen Einsatz, seine persönliche Entschlossenheit hatte Bergkamp auf dem Rasen auch dadurch bewiesen, dass er keinem Zweikampf aus dem Wege ging und notfalls Gegenspieler auch mit flacher Hand und Ellbogen bearbeitete. „Es ist mein letztes Turnier“, verabschiedete er sich in Rotterdam, „und das will ich gewinnen.“

Frank Rijkaard vernahm die Erklärungen Bergkamps mit ungerührter Miene. Andere Trainer der Sorte Dampfplauderer hätten sich in diesem Augenblick selbst auf die Schulter geklopft und wortreich über ihren genialen Schachzug parliert. Nicht so Rijkaard. „Dann ist ja alles bestens“, sagt der nur, „Kompliment an die Spieler.“

Die so Gelobten waren guter Dinge, auch wenn das I-Tüpfelchen gefehlt hatte. Mit einem vierten Tor hätten die Holländer die Franzosen in der Tabelle überholen können, so aber müssen sie den Weltmeister am Mittwoch in Amsterdam schlagen, wollen sie weiter im eigenen Lande spielen. Der Sieger der Gruppe D spielt das Viertelfinale in Rotterdam, ein Halbfinale in Amsterdam winkt. Der Gruppenzweite muss nach Brügge und im Erfolgsfall nach Brüssel. Die Spieler wollen daheim bleiben. „Holland gefällt mir“, sagt Marc Overmars, „deshalb werden wir gegen Frankreich alles geben.“ Der Trainer dagegen schwankt noch. Kicker, die mit einer gelben Karte belastet sind (Frank de Boer, Konterman, van der Sar, van der Bronckhorst) zu schonen sei ebenso eine Möglichkeit, wie Reservespielern Spielpraxis zu geben.

„Wer Europameister werden will, muss gewinnen, egal, wo die Spiele stattfinden“, erklärt Frank Rijkaard im holländischen Fernsehen. Keine Regung zeigt er dabei, natürlich nicht. Ist ja auch alles bestens inzwischen, Oranje beginnt zu leuchten.

Dänemark: Schmeichel - Colding, Henriksen, Schjönberg (82. Helveg), Heintze - Bisgaard, Allan Nielsen (61. Töfting), Gravesen (67. Brian St. Nielsen), Grönkjaer - Tomasson, SandNiederlande: Van der Sar (90. Westerveld) - Reiziger, Konterman, Frank de Boer, Van Bronckhorst - Zenden, Cocu, Davids, Overmars (61. Ronald de Boer) - Bergkamp (76. Winter), KluivertTore: 0:1 Kluivert (57.), 0:2 Ronald de Boer (66.), 0:3 Zenden (77.)