„Hatten zum Glück Glück“

Das „Last Second Goal“ von Costinha zum 1:0-Erfolg gegen Rumänien sichert Portugal den Gruppensieg und die Möglichkeit, gegen Deutschland Kräfte für das Viertelfinale zu schonen

aus Arnheim RALF MITTMANN

Fußballarena Gelredome in Arnheim, Samstag, 19.51 Uhr. Vier Minuten Nachspielzeit waren angezeigt worden und das Spiel zwischen Portugal und Rumänien bereits in der vierten Nachspielminute. Die Rumänen führten in der Hälfte des Gegners die Kugel, draußen ruderte Portugals Trainer Humberto Coelho mit den Armen. Schluss, aus, fertig, wollte er damit Schiedsrichter Veissière andeuten, doch den Franzosen kümmerte das natürlich nicht. Dann erkämpften sich die Portugiesen das Leder, Sa Pinto wurde gefoult, Figo hob den Freistoß in den Strafraum, Costinha war mit dem Kopf schneller am Ball als der rumänische Torwart Stelea mit seinen Händen, Tor, 1:0 für Portugal, vorzeitige Qualifikation für das EM-Viertelfinale und, wie sich später herausstellen sollte, auch der Sieg in Gruppe A, mit dem sich ein Viertelfinale gegen die Italiener vermeiden lässt.

Vier Minuten und 28 Sekunden waren über die Zeit gespielt, kaum zu fassen ist das grandiose Ereignis, weshalb Rui Costa das Verdienst der einzig richtigen Wortwahl gebührt. „Zum Glück hatten wir Glück“, prustete der Mittelfeldstar in die Mikrofone der Reporter.

Nach dem glanzvollen 3:2 gegen die Engländer, das sehr viel Substanz gekostet hatte, wären die Portugiesen diesmal schon mit einem torlosen Unentschieden zufrieden gewesen. Das hätte ihnen zwar nicht das Ticket für die Runde der letzten acht gegeben, aber alle Mal eine vorzügliche Ausgangsposition vor dem letzten Gruppenspiel gegen Deutschland.

Doch mit dem „Last Second Goal“ des erst in der 87. Minute für Rui Costa eingewechselten Costinha sieht alles anders aus. Jetzt ist die Begegnung gegen schwächelnde Deutsche zweitrangig, wichtiger dürfte den Portugiesen die Möglichkeit sein, Kräfte für das Viertelfinale zu schonen.

Namen nennt Trainer Humberto Coelho noch keine, aber er hat sie gewiss schon im Kopf. Denn Kandidaten für ein Ruhepäuschen nächsten Dienstag gibt es genug. Allen voran Luis Figo, der gegen Rumänien verwarnt wurde und der bei einer weiteren gelben Karte in der Partie gegen Deutschland für das Viertelfinale gesperrt wäre.

Spielerisch konnte Figo am Samstag keine Glanzlichter setzen, von seinem Trainer wurde er aber dennoch gelobt. „Luis wurde eng gedeckt, er wurde hart gedeckt, außerdem ist er leicht angeschlagen“, erklärt Coelho, „er hat auf jeden Fall sehr gut für die Mannschaft gespielt.“

Der Wert eines Figo lässt sich auf mehrere Weise ausdrücken. Der italienische Meister Lazio Rom ist offenbar bereit, 120 Millionen Mark Ablöse an den FC Barcelona zu bezahlen, um sich für ein Salär von jährlich zwölf Millionen Mark netto die Dienste des Filigrantechnikers zu sichern. Für „Team Portugal“ aber ist alleine schon Figos physische Präsenz unverzichtbar. „Egal wie er spielt“, sagte Mitspieler Abel Xavier, „Figo gibt immer Sicherheit.“

Figo also ist für das Deutschland-Spiel erster Anwärter auf einen Platz auf der Bank. Denkbar ist auch der Verzicht auf Rui Costa, dessen Akku nach einer Kräfte raubenden Saison beim AC Florenz längere Zeit zum Aufladen benötigt. „Ein bisschen müde“ sei er schon, gestand Figos kongenialer Mittelfeld-Partner beim Abgang am Samstag. Weitere Namen auf der potenziellen Ruheliste: Joao Pinto, Fernando Couto, Nuno Gomes (alle leicht verletzt) sowie Torwart Vitor Baia (gelbbelastet).

Der Hinweis, mit einer Niederlage gegen Deutschland womöglich einer Wettbewerbsverzerrung Vorschub zu leisten, kümmert die Portugiesen ausgesprochen wenig. „Wir entscheiden, was wir tun, niemand anders“, erklärte Coelho, hat aber für hellhörige englische und rumänische Ohren noch eine Beruhigungspille parat, an der sich vielleicht deutsche Fußballer verschlucken werden: „Eines kann ich versprechen: Die portugiesische Mannschaft, die in Rotterdam aufläuft, will gegen Deutschland auch gewinnen.“

Rumänien: Stelea - Contra, Popescu, Filipescu - Petrescu (64. Petre), Galca, Munteanu, Chivu - Hagi - Moldovan (69. Ganea), Ilie (78. Rosu) Portugal: Baia - Secretario, Jorge Costa, Couto, Dimas - Bento, Vidigal - Joao Pinto (57. Conceicao), Rui Costa (87. Costinha), Figo - Gomes (56. Sa Pinto) Zuschauer: 24.000; Tor: 0:1 Costinha (90.)