nebensachen aus warschau
: Wenn Wohnungseigentümer und Banken einen in den Wahnsinn treiben

Nichts wie Ärger mit Mordsmieten

Alle hatten mich gewarnt: „Tu es nicht! Lass die Finger davon! Mit einem in Moskau lebenden Serben macht man keine Geschäfte.“ Ich wusste es natürlich besser, sagte den anderen auf den Kopf zu, dass sie Nationalisten seien und überhaupt beherrscht von Stereotypen. Dann unterschrieb ich den Mietvertrag. Die Wohnung war für Warschauer Verhältnisse einfach traumhaft. Groß, hell, ruhig. Außerdem war sie gerade noch finanzierbar. Ein bisschen merkwürdig fand ich allerdings, dass weder auf der Visitenkarte noch im Vertrag die Adresse meines künftigen Vermieters stand. Dann stellte sich heraus, dass es gar nicht seine Wohnung war, sondern die seiner in Slowenien lebenden Schwester. Nun doch langsam misstrauisch geworden, ließ ich vor Gericht den Eigentümer der Wohnung überprüfen.

Die Angaben stimmten. Und als ich dann auch noch die beiden Adressen erhielt, zahlte ich die Kaution und zog ein. Zwei Wochen später kam die nette Nachbarin von oben auf einen Kaffee und erzählte aus dem Nähkästchen: „Der Vormieter hat sich ja da vorne an dem Fenster erhängt. Das haben sie aber schön renoviert. Man sieht gar nichts mehr. Na ja, und die Frau davor ist wahnsinnig geworden und musste in der Zwangsjacke abgeholt werden.“

Die nächsten zwei Wochen warte ich darauf, dass Geister auftauchen oder sonst etwas Unheimliches passiert. Nichts.

Drei Monate später ruft Herr J. zum ersten Mal aus Moskau an und will wissen, warum ich nicht die vollständige Miete überweisen würde. Ich bin perplex. Es läuft ein Dauerauftrag, und von meinem Konto wird monatlich die volle Miete abgezogen. Bei ihm fehlen aber regelmäßig 19 Dollar. Ich rufe bei der Postbank an und frage, wieso auf dem Konto von Herrn J. nicht die Summe ankomme, die ich ihm überweise, schließlich zahle ich auch die gesamten Transaktionskosten. Die Postbank schiebt den schwarzen Peter der Deutschen Bank zu. Die nehme so hohe Gutschreibungsgebühren. Ich rufe bei der Deutschen Bank an, die aber keine Auskunft zum Konto von Herr J. geben mag. Dies falle unter das Bankgeheimnis. Im April ruft Herr J. wieder an: „Jetzt sind Euro angekommen statt Dollar. Sie sind eine Betrügerin.“ Ich faxe ihm die Kontoauszüge nach Moskau – jeden Monat geht die gesamte Summe plus 15 Mark Bearbeitungskosten von meinem Konto ab. Im Mai ruft er an, dann im Juni: „Ich bin in Warschau. Wenn Sie mir nicht morgen 1.600 Dollar bar auf die Hand zahlen, lasse ich Sie übermorgen von meinen Leuten auf die Straße werfen. Mit Gewalt.“

Meine Kontoauszüge interessieren ihn nicht. Was tun? Die Polizei einschalten? Polnische Freunde sagen: „Bist du wahnsinnig!“ Mir kommt mein Vormieter in den Sinn, die Dame davor. „Es war ein Fehler“, denke ich. Und immer wieder im Kreis: „Was jetzt? Was tue ich nur?“ Ich rufe zum hundersten Mal bei der Postbank an. Nach zwei Tagen ist klar: Die Postbank hat das Geld nach Amerika zur Chase Manhattan Bank überwiesen, die hat 15 Dollar kassiert, die Restmiete an die Deutsche Bank überwiesen. Die hat auch wieder knapp vier Dollar kassiert. Und die letzte Miete ist irgendwo auf dem Weg zwischen den drei Banken hängen geblieben. Fragt sich nur noch, wie viele Tote und Verrückte die Banken schon auf dem Gewissen haben. GABRIELE LESSER