Expo drückt Bahn

Um 5 Prozent wollte Bahnchef Mehdorn den Reiseverkehr durch die Fahrten nach Hannover steigern. Bisher ist vom Boom nichts zu spüren

von KATHARINA KOUFEN

Mit der Expo sollte bei der Deutschen Bahn AG alles wieder gut werden: Von überall her würden die Besucher nach Hannover strömen, täglich mindestens 150.000 an der Zahl, und natürlich viele mit der Bahn. Glaubte man den Prognosen der Bahn, so würde die Weltausstellung dem angeschlagenen Unternehmen so richtig Geld in die Kassen spülen: Um 10 Prozent wollte die Bahn im Laufe des Jahres ihre Personenkilometer steigern, 5 Prozent davon alleine durch die Expo. Die Personenkilometer ergeben sich aus der Zahl der Fahrgäste, multipliziert mit den Kilometern, die diese zurücklegen.

Bahnchef Hartmut Mehdorns Worte am 10. Mai in Berlin, als er die Bilanz des ersten Quartals 2000 vorstellte: 68 Millionen Mark Betriebsverlust statt der erwarteten 148 Millionen Mark Gewinn, Besserung solle „im Wesentlichen“ die Expo bringen.

Doch gut zwei Wochen nach Eröffnung der Expo dürfte der Bahnchef ein flaues Gefühl im Magen spüren, wenn er sich die Fahrgastzahlen ansieht: Bei mehreren Testfahrten von taz-Mitarbeitern war der eigens eingerichtete Expo-Express von Berlin nach Hannover jeweils fast leer. „Bis jetzt ein echter Flop“, urteilt Holger Jansen vom Fahrgastverband Pro Bahn.

Täglich fahren in Deutschland rund vier Millionen Menschen mit der Bahn, etwa 200.000 davon im Fernverkehr. Will sich das Unternehmen um 5 Prozent steigern, müssten täglich 200.000 Menschen mehr als sonst in die Züge steigen – Unterschiede im Nah- und Fernverkehr und Sondertarife beiseite gelassen.

Tatsächlich seien in den ersten beiden Juniwochen insgesamt rund 300.000 Besucher mit der Bahn zur Expo gereist, rechnet Niedersachsens Bahn-Sprecher Hans-Jürgen Frohns vor. Das sind pro Tag kaum mehr als 20.000 Fahrgäste zusätzlich – ein Bruchteil der täglich „bis zu 135.000 Menschen“, die nach Bahn-Berechnungen zur Expo die Schiene nutzen sollen, davon 70.000 im Fern- und 65.000 im Regionalverkehr. Insgesamt sollten in den fünf Expo-Monaten 12 bis 13 Millionen Menschen mit der Bahn zur Expo reisen.

Bei der Bahn will man sich nicht auf düstere Prognosen einlassen: „Wir rechnen am Ende der Expo ab“, sagte die für die Expo zuständige Bahn-Sprecherin Claudia Ruttmann. „Bis jetzt sind wir mit dem Zuspruch zufrieden.“ Die anvisierten 135.000 Fahrgäste bezögen sich auf die „Spitzentage mit bis zu 400.000 Expo-Besuchern“, die erst zur Ferienzeit im Juli und August erwartet würden.

Die Schuld für den drohenden Flop sieht Jansen von Pro Bahn bei der Geschäftsleitung der Expo: „Die haben einfach mit unrealistischen Besucherzahlen gerechnet“, kritisiert der Sprecher. Von den bis Mitte Juni eingeplanten zwei Millionen Menschen ist noch nicht einmal die Hälfte gekommen.

Die Bahn hingegen habe sich nach Meinung Jansens „sehr gut“ auf das Ereignis vorbereitet, Sonderzüge eingesetzt, einen Expo-Fahrplan erarbeitet. So fahren derzeit im Fernverkehr bundesweit täglich 72 Züge mehr als sonst – nur wegen der Expo. Wenn diese so schlecht ausgelastet sind wie zum Beispiel die von Berlin nach Hannover, dann bringen sie keine Gewinnwende, sondern – durch die hohen Betriebskosten – weitere Verluste. 51 „Bedarfszüge“ sind darüber hinaus jederzeit einsatzbereit.

Während bei der Expo ohnehin niemand mit Gewinnen rechnet, wäre es für die Deutsche Bahn fatal, wenn sie im Fahrwasser der schwach besuchten Weltausstellung nun erneut rote Zahlen schriebe. Mehdorn hatte bei der Pressekonferenz am 10. Mai schon gewarnt: „Wenn wir den Richtungswechsel in diesem Jahr nicht schaffen, werden die kommenden Jahre umso härter sein.“