Portrait
: Weiblich, allein ...

Das schwere Leben der Bremer Schriftstellerin Charlotte Thiesen

„Charlotte Thiesen in Bremen. abzugeben bey Madam Wacker auf der Oberstraße in der Vorstadt zwischen Ansgarius und Heerdenthor.“ Ein Name, eine Adresse, weitergereicht in einem Brief vom April 1824. Das Schicksal einer Frau nimmt hier Gestalt an, das Leben von Charlotte Thiesen: Schriftstellerin, allein stehend, krank, geboren 1782, gestorben 1834. Ihre literarische Begabung, ihre Geschichten und Gedichte, mit denen sie in den angesehensten Magazinen erschien, überdauerte Charlotte Thiesens Leben nicht; aber trotz aller Benachteiligungen - weiblich, allein, verkrüppelt - hat sie sich ihre Existenz aufgebaut - ein Schicksal, das die Bremer Ärztin und Historikerin Elisabeth Klatte aufgespürt und fasziniert hat. So sehr, dass sie ihre Magisterarbeit darüber geschrieben hat. Sie ist als erster Band in der Schriftenreihe des Arbeitskreises Historische Frauenforschung/Geschlechtergeschichte an der Uni Bremen erschienen. Angefangen hatte alles ganz harmlos.

„Seniorinnen haben Zeit“ hat sich Eva Schöck-Quinteros vom Arbeitskreis gedacht, als sie Elisabeth Klatte beauftragte, eine Reihe von Briefen zu transkribieren. Briefe zwischen dem Bremer Juristen und Senator Simon Henrich Gondela und der Schriftstellerin und Redakteurin Therese Huber aus den Jahren 1819 bis 1827. Die Geschichtsstudentin Elisabeth Klatte, einst Leiterin der Röntgenabteilung in Bremen Ost, schrieb Brief für Brief ab und entdeckte dabei Charlotte Thiesen, Gondelas Nichte, häufiger Gegenstand des schriftlichen Austausches. Das „hübsche, lebhafte und schlagfertige“ Mädchen Charlotte, das „im geselligen Kreise ihres Elternhauses schon als Zwölfjährige eine gute Figur machte“ litt unter einer Rückgratverkrümmung, oder anders: Sie hatte einen Buckel. Keine Ehe, keine Kinder, Gesellschaft nur vom Rand - diese Konsequenzen erschienen Charlotte Thiesen offenbar sehr früh und sehr klar. Das Schreiben aber reichte Caroline Still, so Thiesens Pseudonym, zum Leben nicht; sie arbeitete so gut sie konnte als Französischlehrerin und als Übersetzerin. Das machte sie offenbar hervorragend: „Noch immer kann ich für Caroline Still ihren Mexikanischen Befreiungskrieg nicht unterbringen“, schreibt Simon Heinrich Gondela im Jahr 1823, „das Buch ist, wie die Leute sagen, zu groß, und doch ist es vom Anfang bis zum Ende so intereßant, und die Übertragung aus dem Englischen ins Deutsche lieset sich als wenn es in unserer Sprache ursprünglich geschrieben.“

sgi

Heute um 20 Uhr liest Elisabeth Klatte in der Neustädter Stadtbibliothek, Friedrich-Ebert-Straße 101/105, aus ihrem Buch „Die Bremer Schriftstellerin Charlotte Thiesen“.