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: Erich Ribbeck entdeckt Freud im Leid

Hustinettenbär will mehr Kritik

„Ich spiele für DEUTSCHLAND, weil Verlieren stark macht und man an Niederlagen wachsen kann. Meine Mannschaft gibt mir die Möglichkeit dazu.“ (Deutschland ist eine Freizeitelf aus Stolberg bei Aachen)

Erich Ribbeck, Teamchef des anderen Deutschland, kann einem auch Leid tun. Was er auch spricht, was er auch sagt: Die Boten spitzen schon die Bleistifte, um ihn durch den Leitwolf zu drehen. Gestern hatte der DFB zur letzten Pressebelehrung vor dem Ausscheiden in Rotterdam gebeten. Ein „globaler Ausblick“ war im Kasteel Vaalsbroek angekündigt – er reichte indes nur bis Rotterdam und zur Erlösung heute Abend.

Nein, so Ribbeck, „auf wesentlichen Positionen“ werde es keine Änderungen geben. Frage: Was dann mit den unwichtigen Positionen sei? Gibt es die? Wie viele mögen es sein? Circa 11? Ribbeck wechselt Mittelstürmer Freud ein: Man sehe doch, „wie Lothar Matthäus drauf ist“. Pars pro toto: Der Betagte ist alle. Die Matthäus-Mission entlarvt sich durch einen unbewussten Pluralis majestatis als Sinn des ganzen EM-Ausflugs.

Kann, wer so spricht, die Mannschaft noch motivieren? Tut er es, und wenn ja, ist es schwer? Ribbeck überlegt sekundenlang. Das Zögern ist eigentlich schon Antwort genug. „Normalerweise muss man es annehmen, denn die Spieler wissen, worum es geht.“ Er müsse es ihnen nur noch „begreiflich machen“, er werde mit ihnen reden, „dass sie daran glauben“. Bei „den meisten“ sei „der Wille“ durchaus da.

Zum Ende hin noch ein trauriger Satz, mit bedauernder Emphase vorgetragen: „In unserer harten Gesellschaft gibt es keinen Trost, da muss man sich durchbeißen.“ Es ist sicher ein schwacher Trost, dass die Deutschen noch aus eigener Kraft Dritter ihrer Gruppe werden können. Dass der Engländer wegen seiner Hooligans noch exekutiert werden kann. Aber darauf hoffe er nicht, sagt Ribbeck, „als Sportsmann“. Dann schreitet er vom Podium, und die Kamerablitze zucken. Ribbeck von hinten, beim Abgang, der Chef verlässt das sinkende Schiff – wir werden die Bilder heute schauen können.

Viel Spott, viel Häme. Der Spiegel ernannte den „Kaffeehaus-Trainer“ gestern zum würdigen Nachfolger des Hustinettenbären. Doch der coole Erich spricht: „Mein Wohlbefinden ist unwichtig.“ Und: „Ich hatte nie das Gefühl, zu hart kritisiert zu werden.“ Ein Satz, der gut tut und milde stimmt.

Und es gibt noch mehr erfreuliche Meldungen: Die Mannschaft hat den gestrigen Langstreckenflug per Charterjet von Maastricht nach Rotterdam (eine Reisedistanz von annähernd 150 Kilometern) sicher überstanden. Und: DFB-Verantwortliche sprechen den Namen des Trainingsplatzes in Lemiers mittlerweile richtig aus, nämlich gut deutsch, und nicht mehr, wie anfangs, falsch frankophon wie Les Miers. Und sie wissen jetzt, dass der Ort, den sie bald wieder verlassen, nicht Wahls heisst, sondern Vaals, gesprochen vorne mit F. Wie Wußball oder DWB. BERND MÜLLENDER