Töne, handgeschweißt

■ Zum letzten Mal im Künstlerhaus: Der bbk zeigt stählerne Klangkörper von Dietrich Wildgrube

Jedes Ende ist auch ein Neuanfang, sagte mir mein Psychiater neulich. Dieter Begemann, Vorstandsmitglied des Berufsverbands Bildender Künstler (bbk) und Fabrikant von Apparaturen mit unerfindlichem Verwendungszweck, muss davon Wind bekommen haben. Jedenfalls macht er am 28. Juni anno 2000 Schluss mit der kleinen bbk-Galerie, nur um später von Neuem zu beginnen. Seit gut zwei Jahren organisiert er die Ausstellungen von bbk-KünstlerInnen, die sich in einem Zimmerchen im 1. Stock des Künstlerhauses am Deich vor allzugroßem Publikumsandrang mal mehr, mal weniger erfolgreich verstecken. Ab Herbst aber wird es Gruppen- und Einzelausstellungen an wechselnden Orten geben. Angedacht sind das ehemalige Polizeihaus und der winzige Pavillon – Ecke Wallanlagen/Bgm.-Smidt-Straße. Parkhäuser oder Supermärkte bespielen, wie es das ebenfalls obdachlose Junge Theater tut, kann die Bildende Kunst allerdings nicht wegen Klau- und Vandalismusgefahr. Die allererste Austellung on-the-road wird in der Wampe eines Schiffes an der Schlachte stattfinden (25.-27. August). Sowas hat Iannis Kounellis, der berühmte Mann mit dem Sackleinen und der Holzkohle, auch schon mal gemacht.

Inspiriert zu dem Projekt mit dem poetischen Namen „Galerie auf großer Fahrt“ wurde Begemann durch die zwei Jahre zurückliegende bbk-Aktion „öffentlich/nicht öffentlich“. Damals wanderte die Kunst aus in muffige, umtriebige oder kohldampfende Orte, etwa in eine Großküche oder in die wenig bekannte Krypta unter dem Backstein-Elefanten.

Ein allerletztes Betreten der Galerie mit Abschiedsträne im Auge lohnt sich. Für all diejenigen, die sich immer schon fragten, warum Klavierflügel nicht kugelförmig und pinklackiert sind und warum den Geigenbauern in fünf Jahrhunderten nichts Neues einfällt, erfindet Dietrich Wildgrube seit 1986 neue Instrumente. Wer mit Augenbinde zuhört, könnte meinen, dass sich Didgeridoo, Alphorn, Sitar, tuvinische Pferdekopfgeige, chinesische Rohrflöte, hysterisches Frauenkreischen und Kreide-auf-Schultafel-Terror in schönstem Weltmusikethos zueinandergesellt haben. Doch o Wunder, öffnet man die Augen, sieht man diverse filigrane Eisengerüste, die mit Saiten bespannt sind oder zweckentfremdete Klaviermechanik: Schein und Sein schäkern miteinander. Außerdem erfährt man, dass sich schnöde Metallscheren unter liebevollem Blick in herrliche Kraniche verwandeln. Und Lichtenergie ist übrigens, wenn eine Glühlampe einen Stahlfaden dazu bringt, melancholisch-meditativ über eine Saite zu streicheln. Ganz tinguelynesk sind es gerade die zartesten Geräusche, die mit dem größten Aufwand fabriziert werden.

Wildgrubes Musik passt zur schrägen Optik. Mal lotet er zusammen mit Uwe Andexer die 1000 Aspekte eines einzigen Tons aus, mal werkelt er wie ein Teufelsgeiger. Wie Erwin Stache, Kompositeur von Stücken wie die Landmaschinensymphonie ST 302 für Heuwender und zwei Traktoren (die BremerInnen lernten ihn kennen und lieben bei Gustav Gisigers „passiert“-Reihe und beim Musica-nova-Festival), beantwortet Wildgrubes Musik die alte, ernste Adorno-Frage „Ist die Kunst heiter?“ mit einem doppeldeutigen, doch lauten Gackern. Ganz im Gegensatz zu den diversen Klangmaschinenmythologen, von Messiaen mit seinen wabernden Ondes Martinots bis Ex-Survival-research-laboratories-Aktivist Matt Heckert mit seinem gruftigen Dröhnen. bk