Gastkommentar
: Juristenausbildung: Es geht ums Geld

■ Ende eines vielversprechenden Reform-Modells / Gastbeitrag von Lorenz Böllinger, Dekan der Uni-Juristen

Seit 30 Jahren besteht Einigkeit: Die Juristenausbildung muss dringend reformiert werden, um den globalen Herausforderungen von Wissenschaft und Berufsfeld gerecht zu werden. Am Bremer Jura-Fachbereich war 1971 ein Reformmodell entwickelt worden, das heute wieder als richtungweisend für die überfällige Modernisierung der Juristenausbildung angesehen wird. So formuliert es zum Beispiel die Gutachterkommission des Verbundes Norddeutscher Universitäten, die kürzlich fünf Jurafakultäten vergleichend evaluiert hat. Auch in Umfragen haben der Fachbereich und sein wesentliches Profilelement, das projektartige, auf relevante gesellschaftliche Problemstellungen und europäisch-internationale Rechtsentwicklung abhebende Schwerpunktkonzept, auch von Studierenden gute Noten bekommen.

Die Statistik 1996-1999 zeigt jedoch, dass Absolventen des Bremer Fachbereichs beim 2. Staatsexamen am gemeinsamen Prüfungsamt Hamburg etwas schlechter abschneiden und häufiger durchfallen als ihre Mitprüflinge aus Hamburg oder Schleswig-Holstein. Allerdings hat sich die Diskrepanz 1999 wieder verringert. Kurzerhand wurde geschlossen, dass der Fachbereich schuld und deshalb die Prüfung massiv zu verschärfen sei. Gefragt wurde weder nach der inzwischen durch ein soziologisches Gutachten belegten Vielschichtigkeit der Ursachen des Problems noch nach der Vernunft der Mittel. Seit 1996 sind am Fachbereich maßgebliche Reformen erfolgt, deren Ergebnisse sich erst allmählich abzeichnen, und mit einer sachgerechten Veränderung des Gesetzes ist er einverstanden. Wir sind sicher, dass das „Hamburg-Problem“ damit weitgehend bewältigt wäre.

Gleichwohl beharrt der Justizsenator darauf, dem Fachbereich gegen dessen große Mehrheit und Kompetenz eine der schärfsten Prüfungsordnungen der Republik aufzuzwingen. Die Durchfallrate im 1. Examen wird dadurch massiv steigen, angesichts der alarmierenden Studienabbruchquote in Deutschland ein Trauerspiel.

In Wirklichkeit geht es um Kosteneinsparungen. Dafür nimmt man in Kauf, dass kostbare Reformbestände liquidiert werden, denn ein Schwerpunktstudium, das diese Bezeichnung verdient, ist dann unmöglich. Die Motivation von Hochschullehrern und vielen Studierenden, die bisher vom Schwerpunktstudium angezogen waren, wird schwinden.

Vollends absurd wird die geplante „Reform“ angesichts der allseits gewünschten und nun wohl endlich kommenden bundesweiten Juristenausbildungsreform. Der Reformstau und Modernisierungsdruck ist zu groß, um weitere 30 Jahre hinter dem Rest der Welt hinterherzuhinken, er wird zum gravierenden Standortnachteil. Wir appellieren an die Bremische Bürgerschaft, dies zu beherzigen und das Gesetz sachgemäß im Konsens mit dem Jurafachbereich zu ändern.

Prof. Dr. Lorenz Böllinger, Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Universität Bremen