Zurück aus der Krautrock-Schublade

Don Air, das hamburgische Trio aus London, haben mit getischlerter Elektronik eine eher kranke Platte gemacht

Menschen machen Musik. Viele reden auch darüber. Manche sogar gern. Marc Beekmann gehört nicht unbedingt zu ihnen. „Nicht zufrieden?“, fragt er ein wenig unsicher, als wieder einmal eine dieser kurzen Pausen entsteht, die entstehen, wenn man den Draht zueinander nicht findet.

Dabei gäbe es überaus interessante Fragen zu klären: 1. Wo lernen sich drei Zimmermänner kennen? 2. Warum nennen sie sich Don Air? 3. Warum ziehen zwei Drittel nach London? Und 4. Wie kommt es, dass sie mit „Carpenter’s Delight“ gerade eines der kränkesten Elektronik-Alben aller Zeiten veröffentlichen?

Die Antworten: 1. Natürlich auf der Berufsschule in Hamburg. 2. Auf dem Bau hatte man einen Kollegen, der – wirklich wahr – Donatos Airtos hieß. 3. Wilken Schade ging vor fünf Jahren nach London, um Kunst zu studieren, Matthias Lorenz zog letztes Jahr hinterher, als Don Air einen Vertrag mit dem in London beheimateten Label der Stereo MC’s bekamen. 4. Keine Ahnung.

Marc Beekmann, der Dritte im Bunde, trägt allerdings nicht viel zur Klärung mancher Fragen bei. Warum der „No Name Dub“ klingt wie aus dem „Dschungelbuch“ geklaut. Was „Desert Dancer“ soll, diese Western-Verarsche mit Vinyl-Knistern, das Authentizität durch den Kakao zieht. Wieso „Joy Dub“ nach einem Softporno-Soundtrack klingt und woher der Cha Cha aus „Please Baby“ kommt. Wie es geht, dass „Siesta“ auf einem eher stumpfen Bluesrock-Riff beruht, aber zugleich luftig und leicht, freundlich und fröhlich ist. Kurz: wie man sich aus den unterschiedlichsten Kapiteln der Musikgeschichte bedienen kann, und doch niemals eklektizistisch, sondern immer organisch klingt. Wie geht das?

„Man muss das nicht interpretieren“, sagt Beekmann, aber wie er das sagt, hört es sich eher wie eine vage Hoffnung an. Dazu blickt er unsicher unter seiner Glatze hervor. „Klar, es muss uns gefallen, aber wir machen halt einfach.“ Tatsächlich kommt dieser Glücksfall wie aus dem Nichts: Vergeblich sucht man bei Beekmann und seinen beiden Kollegen nach einem erklärenden Hintergrund. Alle drei sind zwar bereits 32 Jahre alt, aber waren niemals Teil irgendwelcher Hamburger Szenen. Musik haben sie „hauptsächlich im Übungsraum“ gemacht, ihre Einflüsse eher handgemacht, Techno oder Drum’n’Bass haben sie nicht gehört.

Alle drei arbeiten als DJs, ihr Geld verdienen sie aber immer noch vor allem als Zimmerleute: Schade und Lorenz für eine Zeitarbeitsfirma in London, Beekmann bis vor kurzem in einer Werkstatt für Kunsthandwerk. Derweil gehen die Bänder, Mini-Discs und DATs per Post hin und her, vier-, fünfmal pro Jahr trifft man sich, um die wenigen, eher als Soundeffekt eingesetzten Vokalparts einzusingen.

Der Erfolg kommt langsam. Nach einer ersten, selbst verlegten Single, von der man jeweils 150 Exemplare in Hamburg und London bei Presse und Plattenfirmen verteilte, meldeten sich ausschließlich englische Interessenten, darunter eben auch Response, das Label der Stereo MC’s. In der englischen Presse wird man überaus wohlwollend aufgenommen. So schrieb der New Musical Express, dies sei ohne Zweifel „das beste Album, das jemals drei deutsche Tischler gemacht haben“.

Allerdings wurden sie, wie so ziemlich jeder deutscher Musikant auf den britischen Inseln, prompt in die Krautrock-Schublade verfrachtet. Dabei könnte kaum etwas unpassender sein: Fast keiner ihrer Tracks scheint sich ernst zu nehmen, manchmal wird wohl auch die Grenze zur Satire überschritten.

Dazu immerhin hat Beekmann eine Meinung. „Wir wollen nicht vorsätzlich Leute verarschen“, sagt er. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum Don Air eben das so gut gelingt. Aus dem Nichts kommend fehlen die Bezugspunkte und werden Regeln leichter gebrochen. Und das, obwohl „wir uns nie gesagt haben, wir machen jetzt mal was anderes“. In der sonst ernsten Elektronik machen sie vielleicht gerade deshalb etwas anders. THOMAS WINKLER

Don Air: „Carpenter’s Delight“ (Response/EFA)