DAS ENDE DES KALTEN KRIEGES IN FERNOST SCHAFFT NEUE RIVALITÄTEN
: Asiatische Fronten

Zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges in Europa geraten jetzt auch in Ostasien die erstarrten Fronten in Bewegung – ausgelöst durch den Korea-Gipfel vergangene Woche. Das historische Treffen der beiden Kims brachte zwar nur wenig konkrete Ergebnisse, dafür aber einen umso größeren atmosphärischen Wandel. Nicht nur die Südkoreaner haben jetzt ein neues Bild vom Norden, auch die Amerikaner bezeichnen Nordkorea nicht mehr als Schurkenstaat.

Die Annäherung der beiden Koreas stellt die bisherigen fernöstlichen Fronten aus der Zeit des Kalten Kriegs in Frage und unterstreicht die Notwendigkeit neuer, zeitgemäßer Sicherheitsstrukturen. Dies wird vor allem für China und die USA Konsequenzen haben. Eine Entspannung auf der koreanischen Halbinsel macht nämlich die Taiwanstraße zur letzten Front des Kalten Kriegs in Asien. Chinas Regierung kann sich zugute halten, Nordkoreas Machthaber Kim Jong-il zum Treffen mit Südkoreas Präsidenten ermuntert und Pjöngjang eine wirtschaftliche Öffnungs- und Reformpolitik nach eigenem Vorbild empfohlen zu haben. Peking teilt dabei Pjöngjangs Interesse an einem Abzug der US-Soldaten aus Südkorea. China lehnt ebenfalls die mit Nordkoreas Raketen begründeten US-Pläne für eine Raketenabwehr im Weltraum ab.

Die Fronten haben sich verschoben. In Südostasien sind die kommunistischen Staaten Vietnam und Laos schon seit einigen Jahren Mitglied im südostasiatischen Staatenbund Asean, der ursprünglich einmal als antikommunistische Abwehrfront fungierte. Nachdem die koreanischen Staatschefs über ihren Schatten gesprungen sind, hat auch Taiwans neuer Präsident Chen Shui-bian sich gestern zu einem vergleichbaren Schritt bereit erklärt. Doch Peking hält weiter an seinen unerfüllbaren Vorbedingungen für ein Treffen mit dem Erzfeind fest. Peking will mit Taipeh nur auf höchster Ebene verhandeln, wenn die dortige Regierung das Prinzip anerkennt, dass es nur ein China gibt.

Solange China aber einen echten Dialog mit Taiwan ablehnt und die USA sich zur Verteidigung der Insel verpflichten, werden echte kollektive Sicherheitsstrukturen nicht entstehen können. Vielmehr dürfte die Rivalität zwischen China und den USA die Folie künftiger Konflikte sein. Dabei geht es um nichts anderes als um die Vorherrschaft in der Region. Der Konflikt zwischen China und den USA könnte schon sehr bald handfeste Formen annehmen. Nämlich dann, wenn es zu einem Streit kommt über einen möglichen Abzug der US-Truppen aus Südkorea. Eine neue Sicherheitsarchitektur ist umso dringlicher. SVEN HANSEN