Kontrollzettel gegen die Geldflucht in der EU

Nur wenn die restlichen Europa-Steueroasen mitziehen, wird der Gipfel-Beschluss viel nützen. Deutsches Bankgeheimnis betroffen

BERLIN taz ■ 800 Milliarden Mark, schätzt die deutsche Steuergewerkschaft, haben allein die Deutschen ins Ausland transferiert, um Steuern zu sparen. Vor allem nach Luxemburg, aber auch in exotischere Orte wie karibische oder pazifische Inseln. Die versprechen, das Geld gegen eine mehr oder minder geringe Gebühr fiskussicher zu lagern. Es ist weder gesetzlich noch von den Kapazitäten der Steuerbehörden her machbar, die Kapitalströme zu überwachen. Wer Steuern hinterziehen will, kann das tun.

Deshalb forderten die Finanzpolitiker vieler EU-Länder, bei der Quelle abzuschöpfen: Dann, wenn auf die Bankkonten die Zinsen des dort lagernden Vermögens überwiesen werden, geht automatisch eine Zinssteuer von beispielsweise 20 Prozent an den Staat. Mit dem jetzigen EU-Gipfel wird wohl ein anderes System beschlossen: Jede Bank der Mitgliedsländer soll eine Mitteilung an die Steuerbehörden des Heimatlandes des Kontoinhabers senden. Dann ist es diesen Behörden überlassen, was sie mit der Information anfangen.

Das Problem: Von den Steueroasen Europas sind nur einige wie Luxemburg Vollmitglied der EU. Die Kanalinseln, Andorra, Liechtenstein und Monaco kennen weder Quellensteuer noch eine Mitteilung an die Herkunftsländer der Konteninhaber. Diese Ländchen müssten ein ähnliches Kontrollsystem einführen. Sonst werden viele ihre versteckten Gelder einfach in eine neue Oase umschichten. Erst wenn die Euros statt im stabilen Europa auf einem Konto in einer exotischen Weltgegend liegen, dürfte dem braven deutschen oder französischen Steuerhinterzieher genügend der Frack sausen.

Zu einer solchen Einsicht müssten die restlichen europäischen Steueroasen aber erst gezwungen werden. Wie das geschehen soll, ist völlig unklar.

Das deutsche Bankgeheimnis ist übrigens genauso betroffen wie das österreichische. Der deutsche Bankenverband will hier die Details des EU-Beschlusses abwarten. Im Finanzministerium denkt man an ein Verfahren wie bei der deutschen Zinsertragssteuer: Die Banken müssen den Steuerbehörden auf Anfrage Auskunft geben.

Von der ganzen Diskussion unberührt sind die Unternehmen: Sie können weiterhin Tochtergesellschaften in den EU-Ländern mit relativ niedriger Einkommensteuer gründen, ihre Gewinne dorthin transferieren und so die höheren Gewinnsteuern in ihrem Heimatland umgehen. REINER METZGER