Österreichs Poker beim EU-Gipfel

Gern hätte sich die österreichische Bundesregierung ihr Ja zu einer einheitlichen EU-Zinssteuer mit einer Lockerung der Sanktionen erkauft. Doch die Rechnung ging nicht auf. Am Ende knickte Wien doch ein und stimmte einem Kompromiss zu

aus Wien RALF LEONHARD

Stilisiert zur Entscheidungsschlacht um die so genannten Sanktionen der EU-14 gegen die österreichische Bundesregierung, wurde der EU-Gipfel im portugiesischen Feira zum Austragungsort einer Schlacht um eines der größten Geheimnisse der abendländischen Wirtschaft: das Bankgeheimnis. Während Wolfgang Schüssel die verhängten diplomatischen Unfreundlichkeiten der Partnerländer vergebens aufs Tapet brachte, konnte Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ) als unerschrockener Verteidiger eines der liebsten Kulturgüter auftreten.

Grasser weigerte sich lange Zeit so beharrlich, jedes Abweichen von der herrschenden Bankgesetzgebung zu diskutieren, dass viele EU-Politiker darin eine gezielte Drohgebärde sahen. Steuerfragen erfordern in der EU einstimmige Beschlüsse. Was lag näher, als Grassers Auftreten im Lichte der Boykottmaßnahmen zu deuten, die von Jörg Haider und anderen FPÖ-Leuten als Vergeltung für die Sanktionen angedroht wurden.

Dass Grasser, der dann doch einlenkte und einem Kompromiss zustimmte, zunächst von Schüssel zurückgepfiffen wurde, gab der Sache noch einen anderen Dreh. Denn der Kanzler wollte sich das freundliche Votum durch ein Entgegenkommen bei den Sanktionen abkaufen lassen.

Ursprünglich hat die Position Wiens nämlich rein innenpolitische Hintergründe. In Österreich wurde erst vor kurzem auf Druck der EU das anonyme Sparbuch abgeschafft. Eine Konzession an die weltweiten Bemühungen, der internationalen Geldwäsche Herr zu werden. Bisher konnte man unbeschränkt Sparguthaben, die an den Überbringer auszuzahlen sind, anlegen. Diese Sparform eignet sich für Kautionszahlungen ebenso wie für das Vermeiden von Erbschafts- oder Schenkungssteuer. „Wir haben das Problem der Anonymität jetzt so gelöst, dass wir international dafür gelobt wurden“, erklärte Grasser in Feira: „Man kann der Bevölkerung aber nicht zumuten, dass jetzt das Bankgeheimnis abgeschafft wird.“

Dabei erinnerte er wohl auch im Eigeninteresse an das Schweizer Sprichwort, wonach es leichter sei, einen Finanzminister abzuschaffen als das Bankgeheimnis. Dabei geht es nicht nur darum, den Finanzplatz Österreich attraktiv zu halten, sondern auch um sichere Einnahmen. Denn bisher wird in Österreich Zinseinkommen mit 25 Prozent besteuert. Das erledigt die Bank, bevor sie die Zinsen auszahlt. Sollte sich die Lösung der EU durchsetzen, würde bei Guthaben von EU-Ausländern der automatische Steuereinzug durch die Berichtspflicht ersetzt. Der Fiskus wäre also darauf angewiesen, die Steuern mühsam einzutreiben.

Dazu kommt, dass das Bankgeheimnis in Österreich in der Verfassung verankert ist. Ohne die Sozialdemokraten, die nur darauf warten, die Regierung auflaufen zu lassen, läuft nichts.