Mit über 180 in den Kopfschmerz

Mit dem heißen Wetter klettern die Ozonwerte in ungesunde Höhen. Sofortmaßnahmen wird es wohl nicht geben: Die Koalitionsfraktionen haben den Kampf für Tempolimits aufgegeben – gegen das Ozonticket sperren sich die Verkehrsverbände

von MAIKE RADEMAKER

Der bisher wärmste Tag des Jahres war gestern mit bis zu 36 Grad Celsius. Ein Grund zur Freude, wenn nur das Ozon nicht wäre. In vielen Ballungsräumen stiegen die Ozonwerte gestern auf über 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, deutschlandweit auf über 120 Mikrogramm. 180 Mikrogramm ist der Grenzwert, ab dem nach einer Richtlinie der EU die Bevölkerung informiert werden muss. Als gesundheitlich bedenklich gelten laut Weltgesundheitsorganisation schon 110 Mikrogramm.

Vor einem Monat beschloss das Bundeskabinett ein Maßnahmenbündel gegen den Sommersmog. Doch dazu gehören allein Maßnahmen, die erst im Laufe der kommenden zehn Jahre wirksam werden. Kurz vor der Kabinettssitzung schlugen die Fraktionen von SPD und Grüne damals Alarm, verlangten auch Maßnahmen, die im Falle erhöhter Ozonwerte wie gestern sofort greifen. Alles, was sie dem Kanzleramt sofort abringen konnten, war eine eher symbolische Maßnahme: das Ozonticket. Zum halben Preis könnte man damit bei Ozonalarm Bus und Bahn fahren – und das Auto stehen lassen.

Doch die beiden Fraktionen wollten zunächst mehr, drohten sogar, den Kabinettsbeschluss im Bundestag zu blockieren. Im Gespräch waren auch ein Tempolimit bei Ozonalarm sowie ein Fahrverbot für Autos ohne geregelten Kat.

Während sich die Umweltsprecher der Koalitionsfraktionen anfangs kämpferisch gaben, ist es inzwischen still geworden – vor allem in der SPD. Die Fraktion der Grünen hat deswegen einen Antragsentwurf erarbeitet, der nur noch ein Fahrverbot für Autos ohne geregelten Kat verlangt – ohne das besonders umstrittene Tempolimit. Aber selbst dieser abgespeckte Entwurf liegt warm und weich seit drei Wochen bei der SPD und harrt einer Bearbeitung. Dort hat man sich offenbar inzwischen mit dem Ozonticket abgefunden.

Doch selbst mit dem Ticket gibt es noch Probleme. Damit sollen vor allem Pendler animiert werden, vom Auto auf Bus und Bahn umzusteigen – allerdings würde der Umstieg nur helfen, wenn sehr früh und in großer Zahl das Verkehrsmittel gewechselt wird.

Diese praktische Frage stellt sich aber gar nicht, denn noch stellen sich die kommunalen Verkehrsverbände und die Länder quer. Das Angebot der Bundesregierung, die Mehrkosten für verbilligte Bahn- und Bustickets zur Hälfte zu tragen – in Höhe von rund 40 Millionen Mark –, stößt bei den kommunalen Unternehmen auf Skepsis. Sie wollen keine Mehrkosten tragen und halten die kurze Geltungsdauer des Tickets für nur wenige Tage nicht für sinnvoll.

Nach den Vorstellungen der Bundesregierung sollen die Länder einspringen. Doch auch bei denen gibt es bisher wenig Bereitschaft, zu zahlen: Es mangelt einfach an Überzeugung von der Wirksamkeit eines Ozontickets als einzige Sofortmaßnahme. Zurzeit suchen die Experten im Verkehrsministerium deshalb nach Wegen, wie man das Ticket doch noch realisieren kann.

Im benachbarten Straßburg ist man offensichtlich eher dazu bereit, Ideen zur Senkung der Verkehrsaufkommens zu ergreifen. Dort gelten wegen der überhöhten Ozonwerte seit Montag Sonderangebote für den öffentlichen Nahverkehr. Ozon kann Augen und Schleimhäute reizen, Kopfschmerzen verursachen und die Lungenfunktion deutlich einschränken.