Endlagerfavorit: Gorleben

Der Atomkonsens und die Folgen: Die Regierung äußert im Vertrag nur allgemeine Zweifel am Endlager Gorleben. Die Option, einen neuen Standort zu suchen, fehlt

HANNOVER taz ■ Von dem „gescheiterten bisherigen Entsorgungskonzept“ sprach noch die Koalitionsvereinbarung, die SPD und Grüne vor 20 Monaten bei ihrem Regierungsantritt im Bund unterzeichneten. In den Verhandlungen mit den AKW-Betreibern haben Schröder und Trittin jetzt allerdings lediglich Modifikationen der alten Entsorgungsmisere vereinbart. Bei der Endlagerung, dem Kernstück der Entsorgung, bleibt es beim Projekt in Gorleben und der nun in einigen Monaten bevorstehenden Genehmigung des separaten Lagers für schwach wärmeentwickelnde Abfälle im Schacht Konrad in Salzgitter.

Enttäuscht, empört oder auch verbittert sind daher die wendländischen AKW-Gegner über diesen Teil der Konsensvereinbarung. War in den Konsensrunden der frühen 90er-Jahre noch von einem Moratorum für das Endlager in Gorleben bis zum Jahr 2030 die Rede, so ist nun die Zeit der Unterbrechung der Erkundung des Salzstocks auf „mindestens drei, längstens jedoch zehn Jahre“ geschrumpft. Außerdem hat die Bundesregierung als Anlage zu der Konsensvereinbarung eine Erklärung abgegeben, die unterm Strich wohl eher wie ein „Ja“ zum Endlager im Wendland klingt. In der Erklärung stellt der Bund zum einem fest, dass „das Moratorium keine Aufgabe von Gorleben als Standort für ein Endlager“ bedeute. Weiter fasst er die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen des Salzstockes zusammen, die einer „Eignungshöffigkeit“, also der gegründeten Aussicht auf Eignung nicht entgegenstünden. Wie bei den wissenschaftlichen Befürworten des Endlagers üblich, ist da etwa von einem großes Volumen „älteren Steinsalzes“, von geringen Hebungsraten des Salzstockes und von „keinen nennenswerten Lösungseinschlüssen“ im Salz die Rede. Schon dies ist unter Endlagerexperten durchaus strittig. Vor allem aber verschweigt die Erklärung der Regierung alle geologischen Mängel des Salzstocks, deretwegen ihn auch SPD und Grüne bisher für untauglich hielten: Etwa dass die zweite Endlagerbarriere, eine geschlossene Gesteinsschicht über dem Salz, in Gorleben fehlt; oder dass der Salzstock in Verbindung mit oberflächennahem Grundwasser steht.

Zwar spricht die Regierung von „Zweifeln“ an der Eignung Gorlebens, die werden aber nicht mit der Geologie, sondern mit grundsätzlichen Fragen zum Endlagermedium Salz begründet. Ein Problem mache die Gasbildung im dichten Salz. Dieses stellt sich jedoch vor allem bei schwach radioaktiven Abfällen mit ihrem hohen Anteil an sich zersetzenden Materialien. Vorm Hintergrund der Erfahrungen anderer Länder sei die Eignung von Salz im Vergleich zu Ton oder Granit zu untersuchen. Von anderen Standorten ist aber nicht die Rede.

Unterm Strich konstatiert die Regierung zwar wissenschaftlichen Klärungsbedarf, bleibt die in der Koalitionsvereinbarung versprochene „Untersuchung weiterer Standorte in unterschiedlichen Wirtsgesteinen auf ihre Eignung“ aber schuldig.

Als ein Festhalten am Endlagerstandort Gorleben lässt sich auch die kurze Passage der Konsensvereinbarung zur Pilotkonditionierungsanlage (PKA) Gorleben interpretieren. In der bereits fertigen Anlage hinter dem Gorlebener Zwischenlager, der nur noch die Betriebsgenehmigung fehlt, soll in einer heißen Zelle Atommüll aus Castoren in Endlagerbehälter umgepackt werden. Nach der Vereinbarung sollen die „zuständigen Behörden“ – also das niedersächsische Umweltministerium – „das Genehmigungsverfahren für die PKA nach den gesetzlichen Bestimmungen abschließen“. Anschließend heißt es dann: „Die Nutzung der Anlage wird auf die Reparatur schadhafter Behälter beschränkt.“ Die Betreiberseite, die eine volle Genehmigung für die Endlager-Service-Anlage anstrebt, kann die beiden Sätze als eine Bitte um freiwillige Einschränkung interpretieren.

Bei all dem bleibt das Zwischenlager Gorleben für die Aufnahme der WAA-Abfälle vorgesehen. Die AKW-Gegner wollen den wohl nach Jahreswechsel anstehenden nächsten Castor aus Frankreich in jedem Fall blockieren. JÜRGEN VOGES