Das Dream Team

■ Der archaische Blues-Gitarrist Jean-Paul Bourelly überrascht mit einem Duett mit dem Saxophon-Koloss Archie Shepp

Dream Teams aufzustellen gehört keineswegs nur in der Sparte Fußball zu den schöneren Denksportaufgaben, die das Leben nebenbei so bereit hält. Und dieses Wünschen, wer mit wem spielen könnte, ja müsste, geht sogar dann und wann in Erfüllung. Mit meist bescheidenen Resultaten – das ist zumindest auf musikalischem Gebiet die Regel.

Auf die Idee, dass nun unbedingt Jean-Paul-Bourelly und Archie Shepp es einmal miteinander versuchen sollten, wäre ich allerdings nicht im Traum gekommen. Doch je mehr man über den beträchtlichen Altersunterschied der beiden hinwegsieht, desto stimmiger erscheint exakt diese Kombination. Der junge Gitarrist und Sänger Bourelly und der 63-jährige Saxofon-Koloss Archie Shepp sind nah verwandte musikalische Temperamente, die gern ihre unbezähmbare Widerspenstigkeit an den Tag legen: mit einer Art von Blues, der noch jede Oberfläche aufrauht – mal schnell und aggressiv, mal hemmungslos schmachtend.

Außerdem ist Bourelly einschlägig vorbelastet, seit auf seiner ersten Platte der Altsaxophonist Julius Hemphill (inzwischen von der weltlichen Bühne abgetreten) gastierte. Archie Shepp, zuletzt überraschend munter unterwegs und mit der fast schon erhabenen Platte St.Louis Blues im Zenit seines Könnens, mag Bourelly auf ähnliche Weise ebenbürtig sein: Einklang liegt genauso in der Luft wie Konfrontation – und das vor dem Hintergrund einer neuen, afrikanisch und trommellastig besetzten Band, die soeben „Boom Bop“ eingespielt hat. Ihr Sänger Abdourahmane Diop gilt als der „Howlin Wolf Afrikas“ und am Bass gibt mit Freddie Washington ein anerkanntes Funk-Ungeheuer den Puls vor.

Von der nach oben offenen Anzahl Möglichkeiten, den Blues zu spielen, praktiziert Jean-Paul Bourelly sicher eine der individuellsten. Er fährt ungehobelt archaische Motive auf und bringt sie zeitgenössisch zur Strecke, druck-, phantasie- und verheißungsvoll. Hendrix klingt an, auch in Bourellys Gesang, und ein selbst- ironischer Voodoo-Zauber greift um sich. Bei Miles Davis hat Bourelly gespielt, in der Band von Cassandra Wilson, mit Vernon Reid und Brandon Ross in der Gitarren-Frontline von Graham Haynes. Und von dort zum „Boom Bop“ ist es nur ein besonders kühner Katzensprung. Nichts, was Bourelly lieber täte!

Andreas Schäfler

Mo, 26. Juni, 21 Uhr, Fabrik