Generationenkampf bei FU-Politologen

Am Otto-Suhr-Institut ist ein heftiger Streit um die künftige Ausrichtung des Fachs ausgebrochen. Altgediente Dozenten sehen bei weiterer Verkleinerung der legendären Einrichtung „die Tradition der Politikwissenschaft in Berlin beendet“

Jetzt hat sich das Otto-Suhr-Institut (OSI) doch noch zum Protest entschlossen. Als der Kölner Wissenschaftsrat vor fünf Wochen empfahl, das bundesweit größte Institut für Politikwissenschaft auf das Normalmaß anderer Uni-Standorte zu reduzieren, waren an der Freien Universität auch mit feinsten Sensoren keine Erschütterungen auszumachen. Doch jetzt bahnt sich ein Beben an: Am heutigen Donnerstag wollen die Studierenden auf einem „Aktionstag“ die Pläne diskutieren, nachdem es bereits auf einer Informationsveranstaltung am Dienstag zu heftigen Wortgefechten zwischen Professoren gekommen war.

Denn in der Frage, wie auf die Vorschläge zu reagieren sei, sind die OSI-Dozenten gespalten. Die Institutsveteranen um den früheren Dekan Elmar Altvater sehen ihr Lebenswerk in Gefahr, denn der neuerliche Verzicht auf Professorenstellen würde den endgültigen Abschied von ihrem Konzept bedeuten, auch die Nachbardisziplinen in die politikwissenschaftliche Forschung und Lehre einzubinden. Die jüngeren Kollegen um den Institutsdirektor Eberhard Sandschneider und den Osteuropa-Experten Klaus Segbers hängen dagegen nicht so sehr am traditionellen OSI-Profil. Sie glauben nicht, dass sich das Konzept des Wissenschaftsrats noch verhindern lässt.

An dem Institut, das vor zehn Jahren noch 40 Hochschullehrer zählte und in der FU-internen Planung mit zuletzt noch 14 Professorenstellen veranschlagt war, sollen nach dem Gutachten künftig nur noch zehn bis zwölf Professoren lehren. Zahlenmäßig erscheint der Verlust zwar nicht sehr gravierend. Doch hatte es Altvater während seiner Amtszeit als Dekan geschafft, in das enge Korsett der 14 Planstellen gerade noch jene Lehrstühle für Geschichte oder Wirtschaft, Soziologie oder Didaktik zu pressen, so dass das alte OSI-Konzept noch einmal gerettet schien.

Gerade diese Stellen aber stellte Institutsdirektor Sandschneider in einer abwägenden Stellungnahme, die er am Freitag dem FU-Präsidenten zukommen ließ, gemäß den Vorgaben des Wissenschaftsrats zur Disposition. Darin erklärte er sich im Namen des OSI bereit, mit den entsprechenden Fachbereichen über eine Verlagerung der Professorenstellen für Geschichte, Jura und Wirtschaft zu verhandeln.

Gleichzeitig verwahrte sich Sandschneider aber gegen den „polemischen Sprachduktus“, den das Gutachten in einigen Passagen anschlägt. Da qualifiziert der Wissenschaftsrat eine geplante Professur für Globalisierung ganz pauschal als „populärwissenschaftlich“ ab. Außerdem beklagen die Gutachter, noch ganz den Klischees der Siebzigerjahre verhaftet, die „krisenhafte Entwicklung der Politikwissenschaft“ an der FU. Den „hohen wissenschaftlichen Standard“ der Gründungsjahre habe das Institut nach 1968 „nicht aufrechterhalten“ können, so dass ein Massenfach „mit hohen Abbrecherquoten und überlangen Studienzeiten“ entstanden sei.

Die Alt-Osianer werfen Sandschneider allerdings vor, auf derlei Provokationen zu zahm zu reagieren. Sie verweisen darauf, dass sich die Lehrleistung des OSI bei mehr als 200 Absolventen pro Jahr und einer durchschnittlichen Studiendauer von 11,6 Semestern durchaus sehen lassen könne. Wer die Zahl der Professuren an anderen politikwissenschafltichen Instituten zum alleinigen Maßstab mache, der erkläre „die Tradition der Politikwissenschaft in Berlin definitiv für beendet“.

Das sieht der Kollege Segbers allerdings anders. Er glaubt nicht, dass Wissenschaftssenator Christoph Stölzl beim OSI von den Vorschlägen des Wissenschaftsrats abweicht – dann wäre das gesamte Konzept schnell Makulatur. Segbers glaubt, ein Aufstand am OSI könne das alte Negativ-Klischee wieder beleben: „Die Frage ist, ob sich das OSI damit einen Gefallen tut.“RALPH BOLLMANN