Der Alte wird zurückkehren

Ohne Gheorghe Hagi gewinnen die Rumänen mit 3:2 gegen England, wenn es am Samstagabend im Viertelfinale gegen Italien geht, darf der alternde Mittelfeldstar aber trotzdem wieder mitspielen

aus CharleroiRALF MITTMANN

Der Herr gab sich die Ehre. Während seine Kollegen noch unter der Dusche standen und mit rumänischem Liedgut lautstark ihren kolossalen Triumph feierten, trat Gheorghe Hagi im Innenhof des „Stade du Pays“ in Charleroi ins Scheinwerferlicht. Hatte der 35-Jährige wegen zweier gelber Karten aus den Spielen gegen Deutschland und Portugal schon nicht mittun dürfen in der Partie gegen England, so wollte er die Welt wenigstens aufklären über den rumänischen Fußball im Allgemeinen und die Person Hagi im Speziellen.

„Ich habe es ja schon vor der Euro gesagt, dass wir ein gutes Team haben“, bemühte sich Hagi um Korrektur offensichtlich falscher Expertenmeinungen. „Und“, fragte er provokativ in die Runde, „muss ich das zurücknehmen?“

Musste er natürlich nicht. Beim 3:2 gegen England haben die Rumänen sogar bewiesen, dass sie ohne den großen Maestro richtig gut kicken können. Hagi verstand diese Anmerkung nicht als Kritik an seiner Person, was gut war für den weiteren Verlauf der Konversation, denn es wäre auch nicht das erste Mal gewesen, dass der selbstverliebte Star aus Bukarest den bösen Reporter zusammengestaucht oder gar das Gespräch abrupt abgebrochen hätte. So aber erklärte er generös, dass es ihm um die Zukunft nicht Bange ist, „auch ohne Hagi wird es guten rumänischen Fußball geben“.

Schon seit längerem gibt es Stimmen, die behaupten, Rumäniens Nationalmannschaft agiere ohne ihren Star freier. Solche Töne gibt es auch im rumänischen Lager, allerdings nicht öffentlich. Das Kollektiv funktioniere besser, zudem könnten einige Akteure mehr von ihren speziellen Fähigkeiten einbringen, weil sie nicht auch noch darauf achten müssten, Löcher zu stopfen, die entstehen, wenn der gute Gheorghe mit Fortdauer eines Spiels nicht mehr mithalten kann oder gar die Lust verliert.

Dorinel Munteanu zum Beispiel blühte gegen England richtiggehend auf, erzielte den Ausgleich zum 2:2 und wurde von der Uefa-Expertenkommission zum „Mann des Tages“ gekürt. Doch würde sich der Wolfsburger eher auf die Zunge beißen, als Öl ins Feuer zu gießen. Die offizielle rumänische Version zum Thema Hagi lautet deshalb exakt so, wie sie der Schütze des 3:2-Siegtores, Ion Viorel Ganea, formulierte: „Hagi ist der beste rumänische Fußballer“, sagte der Angreifer des VfB Stuttgart, „er muss spielen.“ Und so kehrt der Spielmacher denn auch zurück. Der Sieg gegen England macht es möglich, dass Hagis Nationalmannschafts-Karriere nicht auf der Bank geendet hat, sondern ihren Abschluss auf dem Rasen finden wird.

Im Viertelfinale gegen Italien (Samstag, 20.45 Uhr, in Brüssel) kann der „Alte“ sein 125. Länderspiel absolvieren. Das 3:2 gegen England war für den vom Leben nicht gerade kurz gehaltenen Egozentriker deshalb „das schönste Geschenk, das ich seit langem erhalten habe“. Sprach’s und verabschiedete sich zur Feier mit seinen frisch hergerichteten Kameraden.

Nicht vergessen, aber nicht mehr so wichtig war dann die herbe Kritik, die Trainer Emerich Jenei bei der Pressekonferenz den „Mächtigen der Uefa“ an den Kopf geworfen hatte. Bis zur Halbzeit hatte sich der 63-jährige Fußballlehrer Rumäniens als Opfer konspirativer Machenschaften auf höchster europäischer Fußballebene gewähnt. „Der Elfmeter gegen uns war unberechtigt, und das zweite Tor der Engländer war abseits“, ereiferte sich Jenei, „da habe ich gedacht, das Spiel wird nicht auf dem Rasen entschieden, sondern in den Führungsgremien der Uefa.“

Die Vorwürfe werden Jenei vermutlich einige Schweizer Fränkli kosten, zur Beruhigung der gekränkten Seelen der Uefa-Bosse. Aber er kann wenigstens keinen Kropf bekommen und völlig gelöst das tun, was zu tun ist vor dem Italien-Spiel. „Nicht viel“, sagte Jenei, „wir müssen uns nur in Ruhe darauf vorbereiten, eine weitere europäische Fußballmacht zu besiegen.“

England: Martyn - Gary Neville, Keown, Campbell, Phil Neville - Beckham, Scholes (81. Southgate), Ince, Wise (75. Barmby) - Shearer, Owen (66. Heskey)Rumänien: Stelea - Contra, Popescu (32. Belodedici), Filipescu - Mutu, Petrescu, Galca (68. Rosu), Munteanu, Chivu - Moldovan, Ilie (74. Ganea) Zuschauer: 25.000; Tore: 0:1 Chivu (22.), 1:1 Shearer (41./Foulelfmeter), 2:1 Owen (45.), 2:2 Munteanu (48.), 2:3 Ganea (89./Foulelfmeter)