■ UrDrüs wahre Kolumne: Promifriedhof im Überseehafen
Dodenhof die Einkaufsstadt/die wirklich jeden Schietkram hat. Und am 3.Juli wird dort die neue Werder-Hymne vorgestellt, und die Bundesligaspieler des Vereins stellen sich am Krönungs-Truck von Kraft Jacobs Suchard im neuen Turnleibchen vor, und als Höhepunkt darf das Fußballvolk dem Erich Ribbeck saure Sahnetorten ins Gesicht schmeißen: Das, genau das werden die Videoszenen sein, mit denen wir unseren Enkeln zeigen können, warum König Fußball irgendwann durch Pokemon Glumanda ersetzt wurde.
Die Sparkasse feiert heute ihren 175. Geburtstag und wirft auf dem Marktplatz die Frage nach Visionen für Bremen auf: Und sähe ich als eine mögliche solche die Einrichtung eines Prominentenfriedhofs im zugeschütteten Hafenbecken, die Zulassung der taz als Pflichtblatt der Bremer Börse und die Ergänzung der Schilder an den Landesgrenzen um die Zeile „Heini Holtenbeen-Stadt“. Ansonsten der Spaßkasse auch in den nächsten 175 Jahren stets ein bisschen mehr an Geld und Zinsen, als die darbenden Initiativen dieses Gemeinwesens verbraten können: Von nix kommt eben nix!
Bei Aldi (für familiär denkende Menschen: beim Aldi) gibt es derzeit einigermaßen kindlich daherkommende Quarzarmbanduhren für schlappe zehn Mark und eine Kundin vor mir legt gleich ein gutes Dutzend dieser Discount-Chronometer auf das Förderband an der Kasse. Natürlich will ich von der entschieden älteren Kundin wissen, warum sie so auf die Zeit versessen ist, dass sie derart reichlich zuschlägt. Mich streift ein durchaus mitleidiger Blick, der allerdings auch einige hochmütige Akzente hat – und dann erfahre ich, dass sie vier Enkelkinder hat, von denen jedes mindestens eine Uhr pro Jahr verliert: „Da baut man dann eben vor, auf lange Sicht spart das enorm – was meinense, wieviele Regenjacken ich schon beim Aldi für die Kinder gekauft habe.“ Und vor meinem geistigen Auge entsteht ein klimatisiertes Warenlager, das jeder Eventualität künftiger Jahrzehnte gerecht wird: Wie soll angesichts solcher Vorratshaltung nach dem nächsten Krieg noch ein lukrativer Schwarzmarkt entstehen? Ob Grünen-Majorin Angelika Beer schon über diesen Paradigmenwechsel in der Logistik der Naturalwirtschaft nachgedacht hat? Merke: Spekulieren lohnt nicht!
Im Wartezimmer des Hausarztes liegt ein Faltblatt der Initiative Harninkontinenz mit dem Titel-Slogan „Wenn es drängt und drückt“ aus, das ich ziemlich achtlos einstecke, um es irgendwann mal für eine Kolumne etwa zum Thema Ernst August zu verwenden. Am Tage darauf bei der allwöchentlichen Auswertung meiner Schnipselsammlung bemerke ich auf eben diesem Druckerzeugnis das mit leichter Hand hingeklirrte Stichwort „Dr. Bernt Schulte“. Und weiß nicht mehr, was das wohl sollte und just in diesem Augenblick sehe ich ein Bild des Bremer Senators für Kultur & Sport & andere Petitessen und weiß ganz plötzlich: Neuer Chef der Initiative Harninkontinenz wird doch nicht Egidius Braun! So, genauso wirken die Ansätze der Gestalt-Therapie.
Alle, die durch das Ende der Fußballeuropameisterschaft für das Moffenteam in eine Sinn- und Lebenskrise geraten sind, finden demnächst Trost auf der Expo, wo die Schwafelhänse der „Diakoniekirche“ zur Veranstaltung „Diabetologie zum Anfassen“ laden. Was dieses Gesindel alles so anfasst – das kündet uns wirklich vom Ende der Welt, zumal bei dieser Gelegenheit auch noch das „Projekt Diabetes von unten“ vorgestellt wird. Clou des Ganzen aber vermutlich der Festvortrag eines Rolf Renner zum Thema „Die Chance der Diabetologie im Alltäglichen“ – wenn solch bedeutungsschwangerer Mumpitz jetzt noch aus der Sicht theologischer Hermeneutik oder sportwissenschaftlicher Systemanalyse beleuchtet wird, kann wirklich jedes Arschloch daraus wieder neues Selbstwertgefühl gewinnen, ohne gleich Diplom-Hooligan zu werden oder ein Premiere-Abo für die nächste Bundesligasaison abzuschließen.
Elf Freundinnen müsst Ihr sein! empfiehlt mit lautem Kickergruß
Ulrich „Abseits“ Reineking
P.S.: Was will uns jener Gastwirt in Gröpelingen wirklich mitteilen, der vor seinem Lokal eine Kreidetafel mit der Losung „Hier garantiert keine Hamburger!“ aufstellt?
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