Performance mit Christoph

■ Die Crew des Rettungshubschraubers Nummer 6 hat ein neues Spielzeug: den Stehhaltegurt / Die Retter müssen aber damit rechnen, getunkt zu werden

„Stehhaltegurt“ heißt das Ding, gestern Mittelpunkt einer Performance aus Blau und Rot, aus Wind, Wasser und Wolken. Die Handlung: Ein Mensch ist vor dem Ertrinken zu retten, per Gurt. Die Bühne: der Hemelinger See, ein sandfarbener Sandstrand, Schilf, Wolkentürme. Stars der Aufführung: Retter in allen Variationen, rote Overalls, hellblaue Hemden, dunkelblaue Hosen, Schulterklappen gold-blau gestreift. Publikum: Männer vom Fernsehen, Kamera, puscheliges Mikrofon, Frau vom Radio, roter Mikroknubbel, Fußvolk mit Blöcken. Und Andree, mit einer Dose Schultenbräu in der Hand, auf rotem Luftkissen im Sand, schon den ganzen Tag da und plötzlich im Zentrum des Trubels. Er ist Soldat, fliegt am Sonntag für ein halbes Jahr nach Bosnien, hat Angst vor der Hitze dort und findet die Show hier „klasse, prost“. Schließlich Christoph 6, Rettungshubschrauber, knallegelb mit „ADAC“ in Schrägschrift drauf, eigentlicher Held des Dramas – einer meint: „ein Porsche zum Fliegen“.

Christoph 6 macht den Rhythmus: anschwellendes Flappflapp-flapp der Rotoren, Kreise, von denen mit Macht alles nach außen flieht: Gräser, Sandkörner, Wassertropfen, Journalistenhaare, und die als toter Mann getarnten Feuerwehrtaucher mit ihren blauen Flossen und schwarzen Neoprenanzügen draußen auf dem See. Denn immer, wenn Christoph 6 samt Pilot und „Rettungsassistent“ – über Kreuz gegürtet an Rücken, Beinen und Bauch, eingeklinkt im Karabiner, auf der Kufe sitzend – an die Übungsopfer heranflappt, treiben die ab, tunken unter. Dumm im Ernstfall, das sollen Badeunfälle oder Eiseinbrüche werden.

Rückblende. Zwei Kinder auf einer Eisscholle trieben einst aufs Wasser hinaus. Es kam ein Rettungshubschrauber geflogen, ein mutiger Mann kletterte auf die Kufen und zog die Kinder ins Trockene. Das war aber gefährlich, fanden nachher alle beteiligten Mannen. Und machten einen Workshop, stellten fest, ein Bergsteigergurt könnte helfen und bestellten selbigen in zahlreichen Exemplaren: der Stehhaltegurt war entstanden.

Eineinhalb Jahre hat die Chris-toph-6-Besatzung die Geschirre nun im Spind, angeschafft für alle Christophs nach dem Eisschollen-Kinder-Vorfall in Wilhelmshaven vor einigen Jahren. „Wir wollten auf freundlichere Temperaturen zum Üben warten“, sagt Pilot Rüdiger Engler. Das freut die Rettungsassistenten, Helfer des Piloten, denn auch sie tunken unter. Bis zum Bauchnabel, sitzend auf der Kufe, nach dem Opfer greifend. „Da atmet man mal kurz durch, wie bei einer kalten Dusche“, sagt ein solcher Assistent später. Schnappt sich den Froschmann, der hilft auch mal und reicht die Hand, und ab geht's ans Land, ganz niedrig über dem Wasser, den Geborgenen nachziehend.

Alle sollen mal drankommen. Die Journalisten haben Zeit zu schreiben, filmen und knipsen. Also wieder rein in Christoph, raus auf den See, rein ins Wasser, ran ans Land. Christoph macht Wind, Wasser sprüht. Die Menschen an Land fliehen hinter die roten Feuerwehrautos. Nur einmal, da bleibt einer stehen: Hartmut Spiesecke, Sprecher des Innensenators. Spiesecke bleibt. Die Windjacke im Wind gebläht, Hosen und Haare flattern nach hinten, die Brille bleibt. Mann unter Männern, die längst hinter Reifen hocken. Dann reicht es dem angefeuchteten Senatsmann, er dreht sich gen Deckung, ganz langsam.

Am Schluss Lächeln der Medienmenschen, Dank vom Piloten – „ich fand's toll“ – und ab. Nur Andree, der bleibt noch sitzen. sgi