Pausenlos in die Fresse

■ Die Kick-Ass-Rocker Nebula beehrten gemeinsam mit der öden Wah-wah-wah-Gitarrenband Roadsaw den Tower

Eigentlich bin ich weder großer Kenner noch großer Fan von Stoner Rock. Gut, Monster Magnet finde ich geil. Und Kyuss, die „legendären, unvergessenen, unerreichbaren und immer noch Maßstäbe setzenden Wüstengötter“ (Till Stoppenhagen) mag ich auch sehr. Ab und zu muss oder darf ich (je nach Stimmung) in Tills 200er Benz Arschtrittmusik von Queens of the Stone Age, Unida, Nebula oder Fu Manchu hören.

All diese Bands kommen aus der kalifornischen Wüste. Deshalb kennen sich die Musiker auch untereinander. Mehr als das, oftmals sind sie sogar identisch. Eine einzige inzestuöse Stoner Rock-Blase! Nebula bestehen jedenfalls aus – ich darf einmal zusammenfassen: Eddie Glass (git, voc), Ruben Romano (dr) und Mark Abshire (bass). And now for something completely different: KICKING ASS! Denn das tut schon die Vorband, Roadsaw. Nicht sehr einfallsreiche Arschtritte, freilich. Die x-te Stoner Rock-Kopie. Solide, aber uninspiriert. Das ist etwa so, wie wenn jemand für eine Gewerkschaftsdemo eine Blueskapelle engagiert. Die spulen dann technisch perfekt ihr Programm ab, und alle sagen: „Das ist Blues“. Wenn jemand auf die Idee käme, für seine Hochzeit eine Stoner Rock-Band zu verpflichten, könnte er Roadsaw engagieren und alle würden sagen: „Das ist Stoner Rock“. Langweilig. Einzig die Gitarrensoli waren ganz nett: WAH-WAH-WAH!

In der Halbzeit wird oben in der Tower-Kneipe erst mal die zweite Halbzeit des EM-Gruppenspiels Frankreich-Niederlande geschaut. Holland gewinnt 3:2, ist damit mit Gruppensieger vor Frankreich So viel zum Sport. Auf der Toilette noch schnell nasses Klopapier in die Ohren gestopft und auf in die Schlacht. Damit auch jeder weiß, worum es geht, wird die Bühne erst mal eingenebelt und Hendrix aufgelegt. Die interstellare, sternenbildende Wolke aus Partikeln und Gasen, Nebula, lässt es mit „You Mean Nothin'“ vom aktuellen Album krachen, gefolgt vom Titelstück „To The Center“. Der Sound geht direkt in die Rübe. Für alle, die nicht wissen, was Stoner Rock ist: schleppende, bratzige Riffs aus den Eingeweiden einer Gibson-Klampfe plus gnadenlos treibendes Schlagzeug, Black Sabbath on acid. Nebula sind der Dauer-Overkill, keine Zeit zum Verschnaufen. Und Eddie Glass kann wirklich Gitarre spielen, zitiert mal Tony Iommi, mal Hendrix, mit viel Flanger- und Wah-wah-Effekten. Das ist wirklich „pot music“, wie sie in den USA von Neidern abfällig genannt wird.

Viel Material haben die drei Jungs noch nicht vorzuweisen, zwei LPs, ein paar EPs und das Erscheinen auf einer Hand voll Stoner-Compilations. Auf der ersten LP, „Let It Burn“, hören sich Nebula noch streckenweise genau wie Fu Manchu an, aber auch hier lassen sich bereits eigenständige Elemente finden, beispielsweise das trippige „Raga In The Bloodshot Pyramid“ mit Sitar und Akustikgitarre. Ansonsten halten die größenwahnsinnigen Titel, was sie versprechen: „Dragon Eye“, „Vulcan Bomber“, „Sonic Titan“, das ist beste Monster Mag-net-Schule. Auf „To The Center“ wird es dann insgesamt noch eine Ecke psychedelischer, aber für meinen Geschmack nicht psychedelisch genug. Dazu sollten sich die drei mal psychedelische Bands aus den Siebzigern wie Grateful Dead, Iron Butterfly oder Quicksilver Messenger Service anhören, von denen sie lernen könnten, wie man einen Song langsam aufbaut und nicht dem Hörer gleich mit jedem Stück, zack!, eins in die Fresse haut.

So stellt sich nämlich recht schnell eine Toleranz ein, es gibt nur Vollgas und zuwenig Dynamik. Ich fand Nebula nicht übel, aber die brandneue Iron Maiden-LP „Brave New World“, die gerade in meiner Anlage läuft, gefällt mir ehrlich gesagt besser. Tim Ingold