Wie der Regenbogen homo wurde

■ Die Regenbogenflagge ist das Symbol der schwullesbischen Community. Über die Entstehungsgeschichte des nicht ganz einzigartigen bunten Streifenmusters

Jetzt weht zum Christopher Street Day also die Regenbogenflagge auch an öffentlichen Gebäuden. Doch was hat die bunt gestreifte Fahne eigentlich zu bedeuten? Um den Eintritt der Regenbogenfarben in die schwullesbische Gemeinde ranken sich diverse Mythen und Legenden. Einen klaren Weg scheint es nicht gegeben zu haben, stattdessen scheint die Gay-Community langsam von allen Seiten eingefärbt worden zu sein.

Der beliebteste Mythos ist die Geschichte mit Judy Garland als Hauptdarstellerin. Sie ist am 24. Juni 1969 gestorben, drei Tage vor Stonewall. Ihr Tod soll Strichern, Transen, Tunten und anderenn Geschöpfen der schwullesbischen Subkultur die Energie gegeben haben, sich gegen die Polizeirazzia im „Stonewall Inn“ zur Wehr zu setzen, die der Ursprungsmythos für die jährlichen Christopher Street Day Paraden in aller Welt wurde. Als Symbol des Widerstandes wurde der Regenbogen aus „Der Zauberer von Oz“ genommen: „Over the Rainbow“. Diesen Hit sang Judy Garland 1939.

Eine weitere Legende rankt sich um die Farbcodes, die seit den Anfängen eine wichtige Rolle im schwulen Szenebereich gespielt haben. Jede Farbwahl hat ihre eigene Bedeutung. (siehe Kasten)

Da sich die schwule Szene in diese unterschiedlichen Farbbereiche aufsplitterte (jeder besuchte dementsprechend die Lokale nach seinem Gusto), wollte man ein Symbol schaffen, welches sämtliche schwule Bereiche vereinigt. Also entstand die Idee, die farbigen Tücher zusammenzulegen und eine Regenbogenfahne zu erschaffen.

Gesicherten Daten zufolge ist die Fahne im Homo-Kontext offiziell zum erstenmal 1978 während der Gay Freedom Parade in San Francisco aufgetaucht. Entworfen und angeblich erfunden wurde sie von dem US-amerikanischen Künstler Gilbert Baker. Er hatte als Vorbild die fünffarbige „Flag of Race“.

Sein ursprünglicher Entwurf sah eine Regenbogenfahne mit acht Farben vor, aber aus drucktechnischen Gründen – die achtfarbige Version erwies sich als zu teuer – mussten zwei Farben entfallen – die einen sagen, es seien Rosa und Indigoblau gewesen, die anderen reden von Fuchsia und Türkis. Fest steht: nur sechs Farben blieben bestehen (siehe Kasten).

Gilbert Baker soll jetzt übrigens seinen Originalentwurf, die achtfarbige Regenbogenfahne, verwirklichen. Zum Gedenken an den schwulen Stadtrat Harvey Milk soll sie über der Harvey-Milk-Plaza im Castro-Bezirk der Stadt San Francisco wehen. Harvey Milk wurde letztes Jahr im November von einem Schwulenhasser in seinem Büro ermordet.

Auch innerhalb der Kirche ist der Regenbogen ein wiederkehrendes Symbol. So benutzt die HuK (Homosexualität und Kirche) schon immer die Regenbogenfarben während ihrer Gottesdienste. Der Regenbogen ist das biblische Symbol der Ökumene, des ökumenischen Rates der Kirche: „Mit der Einheit in der Vielfalt leben“. Berufen wird sich auf das Erste Buch Moses (Genesis), Kap. 9, Vers 12 – 17 (siehe Kasten).

Dementsprechend gab es auch bereits Entwürfe für Regenbogen-outfits innerhalb der Kirche. Dies hatte Protest zur Folge: „Das sind doch die Farben der Schwulen!“. Beim eucharistischen Weltkongress (Treffen von Katholiken aus aller Welt zur Verehrung des Altarsakraments) vor drei Jahren in Paris wurden allerdings die Regenbogenfarben von katholischen Pries-tern getragen, und vor rund 14 Tagen hat in Hamburg ein dort ansässiger Priester eine Regenbogenstola während des Katholikentages getragen, die er sich im Benediktinerkloster Meschede (Sauerland) hat anfertigen lassen.

Auf diese Weise hat der Regenbogen einen interessanten Werdegang hinter sich, und – Fortsetzung folgt! – wir werden sicher noch öfters beobachten können, wer oder was sich versucht mit seinem Glanz zu schmücken. So hat bis vor zwei Jahren das Modekaufhaus C & A noch diese Farben benutzt und dann auf Gelb umgestellt. Die Umweltorganisation Greenpeace benutzt seit dem Anfang ihrer Exis-tenz dieses Symbol, und Ähnliches existiert gegen Rassismus.

Auf dem südamerikanischen Kontinent war die Regenbogenfahne das Erkennungszeichen des Tahuantinsuyu, des riesigen Inkaimperiums, und ist bis heute ein wichtiges Symbol bei der indigenen Bevölkerung der Anden. Die „Wiphala“ soll als Malerei schon vor der Blütezeit der Inkas aufgetaucht sein – später gefunden auf einem Stein im Department von La Paz in Bolivien, in einem Grab an der Zentralküste von Perú, auf einem alten Kleidungsstück, das bei Potosí in Bolivien entdeckt wurde und auf Gefäßen, die heute im Museum von Tiahuanako zu sehen sind. Zum Symbol des inkaischen Widerstands wurde sie aber erst, als die spanische Krone nach ihrer Eroberung Lateinamerikas die Fahne verbieten ließ.

In der schwullesbischen Szene haben langsam im Laufe der Zeit die Regenbogenfahne und die Aidsschleife (Red Ribbon) den rosa Winkel und die Doppelaxt (Frauenzeichen) abgelöst. Wir fassen zusammen: Der Regenbogen wirkt fröhlich, weckt positive Gefühle, lässt sich trefflich auch zum Hosenträger, Hundehalsband, Tassenaufdruck verarbeiten und wird – vor allem in den kommerziellen Neunzigern – zum „gay territorial marker“.“ Rafael de la Caba