Von Krücken und Oldtimern

Es muss nicht immer ein Neukauf sein: Gebrauchte Fahrräder gibt es in allen Preisen und Qualitätsstufen. Auf Auktionen werden oft zu hohe Preise für nur vermeintlich gute Ware gezahlt

von MARTIN REICHERT

Wer ein hochwertiges Rad sein eigen nennt, lebt in ständiger Angst: Gedungene Fahrraddiebe lauern an allen Ecken und machen Hinterhöfe unsicher. Immer mehr Menschen greifen da lieber gleich zum preiswerten Gebrauchtrad, der Lebensqualität halber.

Beim Erwerb sind Radler nicht allein auf Zeitungsannoncen angewiesen: Mehrmals im Jahr können in Berlin preiswert gebrauchte Räder ersteigert werden. Das städtische Zentrale Fundbüro versteigert jeden letzten Dienstag im Monat verlorene oder verlassene Drahtesel, die nach dem vorgeschriebenen Zeitraum von sechs Monaten immer noch nicht von ihren Besitzern abgeholt wurden. Im Auktionshaus Plohmann in der Nordhauserstraße 26, Charlottenburg, können die Räder jeweils ab acht Uhr morgens besichtigt werden, ab zehn Uhr beginnt die Versteigerung. Die Palette reicht von fünf Mark bis unendlich.

Bei der BVG kostet allein die Teilnahme an der Versteigerung einen Zehner. Die Besichtigung ist noch kostenlos und auch bei den Verkehrsbetrieben für Frühaufsteher ausgelegt: Die nächste Versteigerung ist am 13. Juli im Auktionshaus Beyer in der Halenseestraße 31–35 (S-Bahnhof Westkreuz) um zehn Uhr, Besichtigung ab 8 Uhr. Momentan stehen 20 „olle Dinger“ im Keller, die meisten sind voll funktionstüchtig.

Für Langschläfer lohnt sich der Weg zum Gebrauchtwarenmarkt der BSR in der Holzmarktstraße. Der eigentlich auf Möbel spezialisierte Trash-Discounter hat immer wieder „alte Krücken“ von Mifa oder Diamant anzubieten, ab 25 Mark geht’s los.

Die Auktionsschnäppchen haben allerdings einen gemeinsamen Nachteil: Sie sind nicht technisch überholt worden. Käufer mit unterentwickeltem mechanischem Sachverstand bringen besser jemanden mit, der sich damit auskennt.

Auf Herz und Nieren geprüft sind dagegen Secondhand-Bikes bei Fahrradhändlern, etwa bei „Speichen & Felgen“ in der Lychener Straße. „Eldoradlo“ am Friedrichshainer Ostkreuz (Neue Bahnhofsstraße 4) geht sogar noch einen Schritt weiter. Der Hausmechaniker Detlef Koch nimmt sich heruntergekommene Fahrradrahmen vor und verwandelt sie in wahre Schmuckstücke. Ein alter, schön geschwungener „Gazelle“-Rahmen aus den 30er-Jahren wird mit modernster Technik, Ledersattel und Holzschutzblechen ausgestattet zum Edel-Oldtimer: 990 Mark. Kein Schnäppchen, dafür ein ästhetisches Charakterrad.

Für 150 Mark aufwärts gibt’s natürlich auch Wald-und-Wiesen-Gebrauchträder. Angenommen werden nur Räder mit Eigentumsnachweis, oft handelt es sich um in Zahlung gegebene Velos. Trotzdem sie technisch aufgearbeitet werden, sind sie oft schwer zu verkaufen, der Optik halber. Detlef Koch warnt daher vor unüberlegten Auktionskäufen: Er hat beobachtet, dass viele Interessenten sich von Markennamen oder schickem Lack blenden lassen. Die bei den Auktionen erzielten Preise würden den tatsächlichen Marktwert des Rades oft übersteigen.