piwik no script img

Großer Prinz – kleiner Schirm

Lasst endlich unseren Ernst August von Hannover in Ruhe! Fordert die Wahrheit!

Zutiefst betroffen müssen wir seit Tagen beobachten, mit welch schmutziger Häme die Öffentlichkeit und einschlägige Sudelblätter das liebenswerte Wahrheit-Maskottchen, Seine Durchlaucht Prinz Ernst August von Hannover, überschütten. Das niedere Volk wartet doch nur darauf, seinem gehobenen Geschlecht den Todesstoß versetzen zu können. Das ist nicht fair. Dieser wehrlose Mann mit so großen Verdiensten um die deutschen Traditionen hat wirklich mehr Respekt verdient, als ihm von der Allgemeinheit entgegengebracht wird. Eine derart zynische und menschenverachtende Berichterstattung, wie sie momentan in allen Medien erfolgt, muss die Seele eines Menschen zwangsläufig zerbrechen lassen. Jedes Geschöpf kann einmal straucheln, entgleisen. Aber gerade dann braucht es umso mehr die Liebe und Fürsorge seiner Untertanen und nicht schadenfrohes Gekicher. Man versuche nur, sich in die Situation des Prinzen zu versetzen: diese Leere, die letztlich in ihm ist, nachdem sich alle von ihm abgewandt haben. Diese Verzweiflung, dieses Gefühl, in die Welt geworfen zu sein, wenn er sich nachts ruhelos in seinem fürstlichen Bett wälzt. Wenn wir heute Bilder von Seiner Durchlaucht in der Zeitung sehen, müssen wir weinen. Was ist nur aus dem fröhlichen „Hau-Drauf-Und-Schluss“ geworden, der noch vor Jahr und Tag zur Entzückung unserer Herzen einfach seinen Knirps ergriff und ihn kraftvoll einsetzte, wenn ihm etwas nicht passte. Der strahlende, männliche P-Prinz. Damals, in den goldenen Zeiten stand das „P“ noch für „Prügel“. Doch wofür steht es heute, was ist von der Pracht geblieben? „Ein furchtsam weggekrümmter Wurm“ (Johann Wolfgang von Goethe, Faust I). Was sind die Ursachen für den tiefen Fall des ehemals so mächtigen Welfen?

Die Reporter der Wahrheit – die Letzten ihrer Zunft, die den Begriff „Berufsethos“ noch mit einem Bedeutungsinhalt verbinden – haben es sich zum heiligen Ziel gesetzt, die Hintergründe der Tragödie, dieses moralischen „Pinkelgate“, aufzudecken, das Übel bei der Wurzel zu packen und Seine Durchlaucht aus der Gülle-Grube zu ziehen. Zu diesem Zweck treffen sich die frisch gebackenen Wahrheit-Adels-Experten in der prächtigen Redaktionsküche, um das Phänomen tiefenpsychologisch zu untersuchen. Das Ergebnis des Psycho-Streits: Der Prinz ist schon seit Monaten nicht mehr mit seiner mächtigsten Waffe gesehen worden, dem zusammenklappbaren Regenschirm der Marke Knirps. Wo ist der Knirps geblieben? Wird das Wahrheit-Maskottchen, Seine Durchlaucht Prinz Ernst August von Hannover, seine alte Kraft, sein Selbstbewusstsein und seine Lebensfreude zurückgewinnen, wenn sein Knirps wieder auftaucht? Wird er dann wieder in der Lage sein, mit innerer Stärke der Medienkamarilla standzuhalten? Ist Ernst August erst so seltsam geworden, seit sein Knirps weg ist, oder hat er den Knirps verschusselt, als er so seltsam wurde? Fragen über Fragen. Das Küchenpsychologen-Team entschließt sich zu einem gewagten Experiment: Wir machen DIE PROBE AUFS EXEMPEL! Dafür gilt es selbstverständlich zunächst, den Verbleib des historischen Regenschirmes zu recherchieren. Anfragen in Monaco werden jedoch brüsk abgeschmettert: „Das Knirps-Problem tangiert nicht das Haus Grimaldi, sondern einzig und allein das Haus Hannover“, ließ ein Sprecher des Fürstenhauses verlauten. Will sich selbst Fürst Rainier von Ernst August distanzieren? Ist es schon so weit? Auch Anrufe im Welfenhaus bleiben ergebnislos. Dort meldet sich nur der Anrufbeantworter. Was nun? Wie kann unserem Prinzen geholfen werden? Der große Kunst- und Kulturbesitz des Welfenhauses verpflichtet ihn „ ... zur politischen Einflussnahme und zum Erhalt der historischen Tradition“ (Homepage der Welfen). Kunstdenkmäler, Archive und Schlösser werden auch in Zukunft mit großer Sorgfalt undVerantwortung von Ernst-August gewartet werden müssen.Wir als Wahrheit-Therapeuten sind mit unserer Kunst am Ende und rufen deshalb den kleinen Rest der adelstreuen Öffentlichkeit auf: Rettet Prinz Ernst August – sucht seinen Schirm! Dann wird alles gut. Wir wünschen unserem Maskottchen, Seiner Durchlaucht Prinz Ernst August von Hannover, von Herzen, dass diese unglaublichen Sudeleien und üblen Attacken bald nachlassen werden. cost

Hinweis:Jedes Geschöpf kann einmal straucheln und entgleisen. Aber gerade dann braucht es die Liebe und Fürsorge seiner Untertanen und nicht schadenfrohes Gekicher

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen